Immer mehr Innenstädten geht die Puste aus. Sie veröden, weil Läden, Restaurants und Dienstleister ausziehen. Oder sie werden zu uniformen, überall gleichen und entsprechend fantasielosen Filialanreihungen internationaler Ketten à la Zürcher Bahnhofstrasse, die genauso aussieht wie die Einkaufsstrassen von London, New York oder Paris.
Weil diese internationalen Ketten nur grosse Ortschaften berücksichtigen, fallen die kleineren regionalen Zentren nach und nach in einen Tiefschlaf. Aber selbst wenn einmal die letzte Bäckerei, der letzte Detailhändler und am Ende gar das letzte Restaurant verschwunden sind, ändert der Schweizer seine Meinung nicht. An für viele Geschäfte regelrecht «tödlichen» Ladenöffnungszeiten wird festgehalten.
Das kommt einem Festhalten am Zunftwesen des Mittelalters
gleich. Lieber stur auf dem alten Prinzip herumreiten und damit gemeinsam zu
Grunde gehen, als sich der Neuzeit anzupassen. Diese Sturheit betrifft die
Gewerkschaften ebenso wie die meisten Gewerbler und viele Parteien, die SVP
leider inklusive.
Es war vorgestern, als die Frau am heimischen Herd stand und der Vater zur Arbeit ging. Als die Mutter mit dem monatlich vom Vater zur Verfügung gestellten Haushaltsgeld tagsüber einkaufen ging. Deshalb hatten die Läden exakt nach Mutters Zeitbudget geöffnet: morgens, nachdem Vater und Kinder das Haus verlassen hatten, öffneten sie. Über Mittag, wenn die Mutter zu Hause kochen und die Familie verpflegen musste, waren sie geschlossen. Am Nachmittag – wenn die Mutter den Kindern neue Schuhe kaufen musste – waren die Läden wieder offen. Und wenn es Zeit war für die Frauen das Nachtessen für die Familie vorzubereiten, schlossen auch die Läden wieder.
Und heute? 60 bis 70 Jahre später? Der Alltag der Frauen und Mütter findet für die allermeisten von ihnen nicht mehr am Herd statt. Frauen sind berufstätig – und davon profitieren wir alle. Nicht zuletzt auch der Staat, dessen Steuereinnahmen sprudeln. Inzwischen müssen die Eltern nach der Arbeit ihre Kinder aus der Kita oder Krippe holen und auf dem Heimweg noch eiligst im nächsten Laden vorbeigehen, bevor der seine Tore schliesst. Da reicht die Zeit grad so für den Einkauf der nötigsten Lebensmittel.
Neue Schuhe, Kleider etc? Die kaufen die heutigen Eltern eben auf dem Internet. Denn wenn sie Zeit für den Konsum vor Ort hätten, haben unsere Läden geschlossen.
Es gibt zahlreiche Gewerbler, die ihre Ladenöffnungszeiten auch dann nicht anpassen würden, wenn sie es dürften. Offenbar ist das sogar die Mehrheit. Sie behaupten, dass sie bei einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten definitiv zusperren müssten. Doch, liebe Gewerbler und -innen: auch ohne eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten werdet Ihr zusperren müssen. Bloss dauert es bis dahin etwas länger. Der Staat verlängert einfach Eure Agonie – mehr definitiv nicht.
Die Liberalisierung würde jedoch jenen, die clever und anpassungsfähig sind, eine Chance bieten, Erfolg bringen. Wer lieber auf uralten Lorbeeren ausruht, der wird damit relativ rasch von der Bildfläche verschwinden. Das ist freie Marktwirtschaft. Ohne Liberalisierung werden – wie die tägliche Entwicklung von Biel bis Rorschach zeigt – am Ende alle gemeinsam untergehen. Ist das eine neue Art gewerblerischer Solidarität?
Auch die Gewerkschaften setzen lieber auf Arbeitsplätze, die mit Sicherheit verschwinden, als auf die Flexibilität; als auf eine Chance für die Tüchtigen. Bezeichnend und ein Fakt ist, dass Geschäfte, die sonntags öffnen dürfen (etwa in den Tourismusregionen) kein Problem mit genügend Personal haben. Denn Sonntagsarbeit zahlt sich eben aus. Doch auch hier meinen die Gewerkschaften, sie müssten ihre eigenen Mitglieder bevormunden.
So scheiterte denn soeben ein weiterer Versuch des Bundesrates die Ladenöffnungszeiten in der Schweiz zu liberalisieren. Ist ja auch nicht so problematisch für die Konsumentinnen: solange die im Internet und die ennet der Grenze stets offen haben, können wir ja dort einkaufen… Auf die "gute alte Zeit" können Gewerbler wie Gewerkschaften genau so lange warten, wie sie selber noch existieren.
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