Samstag, 27. Mai 2023

Provinz will Literatur feiern

Die Stadt Olten feiert Franz Hohlers 80. Geburtstag ein halbes Jahr lang. Da wird ein Kabarettist und Schriftsteller, der zwar in Olten geboren ist, aber seit Jahrzehnten in der Region Zürich lebt, gefeiert, als wäre er der grösste Schriftsteller aller Zeiten. Und als wäre seine gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung für Olten über alle Massen wichtig.

Ein nüchterner Blick auf dieses Hohler-Halbjahr veranlasst jedoch ein unverständiges Kopfschütteln. Hohler und sein schriftstellerisches Werk werden nach seinem Tod rasch vergessen sein. Sein Rang in der deutschsprachigen Literaturgeschichte wird kaum über das Durchschnittliche hinausreichen. Selbst in der Schweizer Literatur wird er nie zu den Grossen zählen.

Dennoch hat Olten natürlich das Recht, seinen Stadtsohn zu feiern. Aber dieses Feiern steht leicht schief in der Landschaft. Olten als Literatenstadt? Vielleicht. Immerhin wurde hier 1971 die Gruppe Olten gegründet. Von Schriftstellern wie Dürrenmatt, Frisch, Bichsel, Kurt Marti und vom Oltner Otto F. Walter.

Dieser Otto F. Walter und seine Familie scheinen aber für die Stadtoberen von Olten kaum der Rede wert. Denn gleichzeitig mit dem Hohler-Jubel wird das Grab von Walter, dessen literarische Bedeutung deutlich grösser ist, in Solothurn sang- und klanglos aufgehoben. Sein Werk «Der Stumme» (1959, in den später 70er Jahren verfilmt) zählt zu den bedeutendsten literarischen Werken seiner Zeit.

Die Familie Walter hatte zudem für den Kanton Solothurn und die Stadt Olten eine enorme wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle Bedeutung. Otto Walter gründete den bis in die 1980-er Jahre hinein aktiven und sehr renommierten Walter-Verlag, der bedeutende literarische Werke herausgab. Ausserdem war er Herausgeber von u.a. «Der Morgen», «Die Woche» und «Der Sonntag».

«Der Morgen» war zu seiner Zeit eine Tageszeitung mit einem hohen Gewicht in der nationalen Politik. Otto Walter selber war ja u.a. auch 14 Jahre lang Mitglied des Nationalrates. Zwei seiner Töchter waren ebenfalls schriftstellerisch tätig. Die bekanntere, Silja Walter, durchaus mit einem gewissen literarischen Gewicht.

Trotzdem findet man auf dem Oltner Schriftstellerweg keine Zeile über die Familie Walter. Und Festivitäten im Zusammenhang mit dieser für Olten über Jahrzehnte bedeutende Familie sucht man vergebens.

Hohler dagegen darf sich bereits zu Lebzeiten tüchtig feiern lassen. Auch an den diesjährigen Solothurner Literaturtagen. Im «Kreuz» natürlich – was ihm auch wichtig war.

Fazit: Olten will Literatenstadt sein und vergisst seine wirklich (auch literarisch) wichtigen Persönlichkeiten. Die momentane linke (Partei-)Politik ist der Stadt Olten wie den Solothurner Literaturtagen wichtiger, als wahres künstlerisches Schaffen. Das zeugt immerhin von echter Provinzialität.

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