Mittwoch, 15. Februar 2023

Der erfolgreiche Industriekanton auf dem Weg ins Armenhaus

Der Kanton Solothurn hat viel zu bieten: eine intakte Juralandschaft, die so nur hier überlebt hat. Dank der weitsichtigen Unterschutzstellung während dem 2. Weltkrieg. Eine vielseitige und vielerorts ebenfalls intakte Flusslandschaft entlang der Aare. Zahlreiche schön und doch relativ zentral im Mittelland gelegene Dörfer sowie zwei ausnehmend schöne Kleinstädte. Eine kulturell und gesellschaftlich engagierte und aktive Bevölkerung, die Tradition, Geschichte und Aktualität durchaus zu verbinden weiss. Weiter verfügt Solothurn über gute Bildungsinstitutionen und eine angenehme Distanz bzw. Nähe zu den Zentren.

Die Film- und die Literaturtage sind kulturelle Höhepunkte mit grosser Ausstrahlung. Und die einzigen Solothurner Anlässe, an denen regelmässig ein Bundesrat auftritt und die über die Kantonsgrenzen hinaus wahrgenommen werden. Aber sie sind quasi das Dessert. Nur: wo bleibt der Hauptgang? 

Eigentlich müsste Solothurn einer der blühendsten Kantone der Schweiz sein. Tatsächlich aber ist er zügig auf dem Weg ins Armenhaus. Was ist hier passiert? Oder was passiert nicht, was passieren sollte?

Vor ziemlich genau 50 Jahren war der Kanton Solothurn noch ein stolzer Industriekanton. Die Uhrenindustrie, die Von Roll-Werke und die Cellulose Attisholz im oberen Kantonsteil, die Bally-Schuhfabriken im unteren; die Papierfabrik Biberist und die Scintillawerke; die Atel mit ihrem modernen KKW-Bau in Däniken-Gösgen; die Isola-Werke in Breitenbach etc. etc.

Was ist davon geblieben? Es ist normal, dass der raue Wind der Geschichte Vieles hinwegbläst. Aber was kam danach? Wo sind die Pioniere und Pionierinnen geblieben, die all das einmal aufgebaut haben? Wo sind die geblieben, die nach dem Niedergang der meisten dieser grossen Unternehmen neue Ideen hatten und den nötigen Mut zu neuen Taten? Einen Teil der Uhrenindustrie rettete ein gebürtiger Libanese ohne Beziehung zum Kanton Solothurn. Ein paar Pioniere investierten erfolgreich in die Medizinaltechnik. Und am Autobahnkreuz in Härkingen siedelte sich die wertschöpfungsschwache (und wenig "steuer-ergiebige") Logistikbranche mit ihren Lagerhäusern an. Zahlreiche KMUs sind erfolgreich am Markt tätig.

War’s das?

Die Digitaltechnik? Das Roboting? Die Smart-Technology? Auf deren Landkarte findet sich Solothurn kaum. Moderne High-Tech-Konzerne sind zum Beispiel aus dem Ausland nach Nidwalden gezogen; nicht ins verkehrstechnisch günstige(re) Solothurn.

Was läuft hier falsch? Es sind sicherlich nicht allein die Unternehmenssteuern, die Solothurn weniger attraktiv machen. Es sind auch nicht allein die Steuern für natürliche Personen – aber sicherlich spielen sie beide eine wichtige Rolle. Die Technischen Elite-Hochschulen in Zürich und Lausanne seien (zu) weit weg, wird immer wieder gejammert. Nicht weiter jedoch als von Uri oder Nidwalden.

Es ist das Klima (und dabei ist nicht das meteorologische gemeint), das hier nicht wirtschaftsfreundlich ist. Die Temperatur stimmt nicht für die möglichen kleinen Pflänzchen, aus denen einmal renommierte Unternehmen mit grosser Ausstrahlung werden können. Einzelne «Rosinen» wie Biogen vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen – wobei Biogen für den Kanton wohl kaum jene grosse Dynamik entfalten wird, wie es sich manche erhofft haben.

Solange selbst zukunftsträchtige Kleinprojekte wie die Wasserstadt oder die Überbauung des RBS-Bahnhofs Solothurn scheitern. Solange Regierungsvertreter als erste Skepsis äussern und (über-)schnell klar machen, dass von ihrer Seite keine Unterstützung irgendwelcher Art zu erwarten ist. Solange niemand da ist, der grosse Würfe initiiert, «gross» denken kann und die nötige Durchsetzungskraft hat, die Gedanken auch umzusetzen. Solange tausend Leute vor allem tausend Einwände gegen jede innovative Idee (jüngstes Beispiel: Kapuzinerkloster Olten - wo sich der Kantonsvertreter zuerst mal negativ zu einer etwas grosszügigeren Idee äusserst) aufbringen. Solange die Motivation und die Kraft zur Verhinderung stärker sind als der Wille und die Offenheit zu und für Neues. Solange Regierung und Parlament dem wirtschaftlichen Tun von Solothurns Schanzen herab höchstens ideen- und tatenlos zuschauen, solange wird nichts Aufregendes in dieser Beziehung geschehen.

Ein Beispiel? Sawiris konnte bei seinen Urner Grossprojekten von allem Anfang an auf die Unterstützung wichtiger Persönlichkeiten der Urner Regierung und des Kantons zählen. Sie haben sich mit viel Aufwand und auch persönlich und privat sehr stark für die Idee engagiert. Der Erfolg gibt ihnen heute recht. 

Das Glück kommt zum Tüchtigen. Mit den Händen im Schoss ist noch nie jemand reich geworden.

Das sind uralte und keine neuen Weisheiten. Im Kanton Solothurn scheinen sie vergessen gegangen zu sein.

P.S. Soeben fiel ein paar Journalisten auf, dass der Zuger Finanzdirektor von seinen Steuerzahlerinnen systematisch als von "seinen Kundinnen" sprach. Es ist dabei nicht der Begriff, der den Unterschied macht. Es ist die Haltung, die diesen Begriff generiert. --- Manchmal verrät ein einziger Begriff mehr als tausend Worte.

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