Dienstag, 21. Februar 2023

Das Ego sitzt in der falschen Reihe

Die traditionellen Theaterhäuser landauf und -ab klagen über fehlendes Interesse und leere Kassen. Steuerzahler und Sponsoren sollen die Löcher stopfen. So die Vorstellung der Theatermacherinnen. Die Gesellschaft benötige die Theater, die Kultur dringend, heisst dann das Argument. Deshalb dürften die Stadttheater zum Beispiel keinesfalls geschlossen werden.

So sind in den vergangenen paar Jahrzehnten riesige Millionenbeträge in unsere Theater geflossen. Dabei musste sich nie jemand für diese Staatsausgaben rechtfertigen und an eine Volksabstimmung zu einem solchen Betrag erinnert sich wohl niemand mehr.

Weshalb eigentlich? Alle anderen Ausgaben – selbst solche, die eine eindeutige und klare Staatsaufgabe sind – brauchen regelmässig Volksabstimmungen und Referenden sind sehr häufig. Reicht als Begründung und Rechtfertigung wirklich, dass eine gesunde Gesellschaft eben Kultur benötige?

Diese Begründung ist nichts anderes als eine Anmassung einiger weniger Kulturschaffender. Eine Anmassung deshalb, weil sie damit suggerieren, dass nur das, was sie machen, Kultur sei. In unserem Land wimmelt es vor lauter Galerien und (inkl. sog. alternativen) Kulturräumen. Dies für alle möglichen Arten der Kultur. Wir haben hunderte von Museen; von einfachen Gemeindemuseen bis zu international renommierten Kunst- und historischen Museen. Ausserdem existieren in unserem Land Tausende von Bibliotheken und viele, viele Kunstsammlungen – manche von herausragender Qualität. Hunderte von Konzertsälen werden regelmässig bespielt. Musik- und Filmfestivals von internationalem Rang finden zahlreich in der Schweiz statt. Und dies keineswegs bloss in den Grossstädten und Zentren.

Und dann noch all die Vereine, die in der Mehrzweck- oder der Turnhalle ihr Jahreskonzert geben und/oder ihr Laientheater aufführen. Und alle Vereine, die unsere Traditionen pflegen. Vom Volkstanz über die Volksmusik bis zur Fasnacht (die Basler Fasnacht gehört zum Unesco-Weltkulturerbe). Alle die Freilichtaufführungen, die von Frühsommer bis Herbst landauf und -ab stattfinden. Nicht zu vergessen alle Kinosäle, die meist Filme aus aller Welt im Programm haben.

Ist das alles keine Kultur???

Ist das alles keine Kultur, weil es meist ohne öffentliche Gelder auskommt? Weil die Mehrzweckhallen im völligen Gegensatz zu den millionenteuren Stadttheatern nicht selten berstend voll sind? Weil die meisten Freilichtbühnen ihre Stücke vor ausverkauften Rängen spielen? Weil Kinobesitzer in der Regel ohne Lotterie- oder Steuergelder wirtschaften? Ist nur Kultur, was bloss eine Handvoll Menschen versteht? Was bloss eine Handvoll Menschen anspricht?

Was wir momentan erleben, ist sehr speziell: ein paar Kulturschaffende wollen uns weis machen, dass all das, was wir lieben und gerne sehen und hören, keine Kultur sei. Kultur sei bloss das, was sie kreierten. Dabei wollen sie uns weder unterhalten noch unsere grauen Zellen im Kopf kitzeln. Sie wollen uns belehren. Wir sollten endlich begreifen, wie die Welt (nach ihrem Gusto) auszusehen hat; wir sollten begreifen, was wir gemäss ihrem Credo zu tun und lassen haben. Wir sollten begreifen, dass nur sie allein die Besitzer der echten Kultur und damit auch der echten Wahrheit sind.

Meine Damen und Herren von diesen «Kultur-Theatern»: was Sie tun, ist verwerflich. Was Sie verlangen, eigentlich diktatorisch. Da Sie sich dessen aber wohl kaum bewusst sind, ist ein anderes Adjektiv zutreffender: «dumm».

Weil wir Kultur haben, müssen Sie verstehen, dass wir ein gewisses Mass an Niveau einhalten wollen – und deshalb ihren Häusern vorläufig fernbleiben. Wollen Sie Traditions-Institutionen wie unsere Stadttheater nicht ruinieren, empfehlen wir Ihnen, Ihr Ego wieder in die dritte, die Kunst wieder in die zweite und das Publikum wieder in die erste Reihe zu setzen.

P.S. Bloss zur Klarstellung: Der Schreiberling ist (u.a.) Sprach- und Literaturwissenschaftler und hat in Zürich und Wien in Theaterwissenschaft promoviert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen