Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort. Es gibt Völker, die ertragen seit Generationen enorm viel Staat – andere reagieren sehr rasch «allergisch» auf Eingriffe von oben oder aussen in ihr Leben. Das Schweizer Volk ist sensibel, wenn der Staat überhand zu nehmen droht. Erinnern wir uns etwa an die 80-er Jahre, als sich viele Schweizer Autofahrer gegen die allseits tieferen Tempolimiten wehrten und einige von ihnen der Autopartei zu einem unerwarteten Wahlerfolg verhalfen.
Anders bei den beiden letzten nationalen Wahlgängen (2019 und 2015). Viele Stimmberechtigte entschieden für mehr Staat, weil sie von ihm neue und mehr Vorschriften gegen Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung und den Klimawandel erhofften. Die «grünen» Parteien hatten Aufwind.
Im Herbst sind erneut nationale Wahlen. Inzwischen betrachten sich viele Bürgerinnen und Bürger als «staatlich corona-geschädigt» und wenden sich jenen Parteien zu, von denen sie sich mehr Freiheit oder wenigstens weniger Staatseingriffe bis ins Ehebett und den Küchenschrank erhoffen. Das Pendel schlägt also wieder leicht zurück.
Ist das schlecht? Nein, es muss so sein. In einer Demokratie werden die Wählerinnen und Wähler, die nicht zum Voraus, aus welchen Gründen auch immer, parteigebunden sind, stets auch nach ihrer momentanen Befindlichkeit wie ihren aktuellen Bedürfnissen entscheiden. Daraus entsteht kein gerader Weg, der schnurstracks zum nächsten Ziel führt. Daraus entstehen Zickzack- und vielleicht gar Mäandermuster. Aber das ist Demokratie.
Wem der Souverän manchmal etwas gar aus dem Momentum und dem
Bauch heraus entscheiden mag, der hat die Möglichkeit, mit seinem Engagement,
vor allem in Gemeinde und Kanton einen Beitrag zur vertiefteren Information der
Bürgerinnen und Bürger zu leisten. Und dieser Beitrag ist nicht etwa ohne
Wichtigkeit: weil die Komplexität der Herausforderungen laufend zunimmt, kann
etwas mehr an informierter Meinungsbildung nie schaden. Die Direkte Demokratie
setzt schliesslich «mündige» (und das heisst auch: gut informierte) Bürgerinnen
und Bürger voraus.
Wer mehr weiss, wer mehr ökonomischen und politischen Sachverstand hat, wird sich in der Regel gegen einen ausufernden Staat zu Wehr setzen. Er will und braucht keinen Staat, der sich knöcheltief in sein privates Leben einmischt. Wer dagegen anstelle des (fehlenden) politischen Wissens den Bauch und den eigenen politischen «Glauben» bzw. die Vorurteile sprechen lässt, überlässt sich bewusst oder unbewusst den Institutionen. Und er reagiert erst dann (und dann meistens empört), wenn seine ganz private Intim- und Schmerzgrenze überschritten wird; erinnert sei hier bloss an die vermeintliche Corona-«Impfpflicht».
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