Donnerstag, 9. Juni 2022

Zum Schaden aller werden die Falschen geprügelt

In Bern ist im Moment u.a. auch die Gesundheitspolitik im Fokus. Dies etwa wegen der CVP/Mitte-Initiative (Kostenbremse) und wegen den Aktivitäten von Bundesrat Berset und seinem BAG (Bundesamt für Gesundheit). Der Mitte-Präsident liess in den letzten Tagen kaum eine Gelegenheit aus: Seine Rundumschläge gegen das gesamte Gesundheitswesen und alle seine Akteure (mit Ausnahme der Patienten bzw. Konsumenten) waren an der Tagesordnung. Berset hat die Medikamentenhersteller («Pharma») und die Ärzte ins Visier genommen und prügelt fleissig drauflos, wenn er nicht grad prügeln lässt. Dabei werden beide Akteure als gewinnsüchtige Abzocker, reiche Säcke, die auf Kosten der Prämienzahler noch reicher werden wollen und als verantwortungslos-geldgierig dargestellt. 

Beide Darstellungen sind nicht nur völlig verzerrt, sondern auch völlig falsch. Die kommunizierten Botschaften sind weitestgehend schlicht verleumderisch. Eben noch waren wir enorm glücklich über hoch engagierte und kompetente Ärzte, sehr engagiertes Pflegepersonal, flexible Spitäler und die ausgezeichnete Arbeit der Pharmaindustrie, deren Forschungsabteilungen uns in kürzester Zeit ausgezeichnete, wirkungsvolle und gesundheitlich unbedenkliche neue Medikamente gegen die Corona-Seuche kreiert und deren Produktionsabteilungen raschmöglichst Hunderte Millionen Dosen hergestellt haben.

Was gewisse Parteipolitiker und Berset mit «seinem» BAG veranstalten, ist dumm und ihrerseits verantwortungslos. Die Schwächen unseres Gesundheitswesens sind, wenn es sie denn gibt, dort anzusiedeln, wo sich Politik und Verwaltung über alle Gebühr in den freien Markt einmischen und so laufend neue Verzerrungen, Ineffizienzen und Paradoxien schaffen.

Unsere Bevölkerung ist zu rund drei Viertel (sic!) mit unserem Gesundheitswesen zufrieden und findet dieses durchaus gut. Dabei zeigen sie mehr Objektivität und Kompetenz als mancher Parteipolitiker. Das Gesundheitswesen macht in der Schweiz mit einem jährlichen Gesamtumsatz von rund 65 Mrd Franken gut 9 Prozent des BIP (Bruttoinlandprodukt) aus. In unserem Gesundheitswesen finden rund 550'000 Personen ihr Auskommen. Die Bruttowertschöpfung beträgt gegen 15 Prozent des BIP. Das heisst, sie ist weit überdurchschnittlich hoch und trägt damit wesentlich zum Wohlstand in unserem Land bei.

Das heisst: unser Gesundheitswesen verlängert unser Leben (sehr hohe und weiter steigende Lebenserwartung in der Schweiz) und erhöht gleichzeitig unseren Wohlstand. Was wollen wir noch mehr? Wollen wir mit dauerndem Bashing alle unsere Medikamentenhersteller ins Ausland zwingen? Wollen wir alle jungen Menschen, die als Ärztinnen und/oder als Pflegefachleute bei uns arbeiten wollen, derart an die kurze Leine nehmen, bis ihnen diese Berufe definitiv zu unattraktiv erscheinen oder bis sie diese gar zur Gänze meiden? Wir haben viel zu wenig Menschen in diesen Berufen: welche Partei setzt sich wirklich für alle diese Gesundheitsexperten ein? Nicht nur per Applaus aus dem Küchenfenster.

Die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen haben weder Ärzte noch Spitäler noch Pflegepersonal noch Pharmaindustrie als Hauptverursacher: es sind die Politikerinnen und Behörden mit ihren konfusen Eingriffen und es sind in erster Linie die Patienten, die ungesund leben, unfallträchtige Hobbies pflegen, Medikamente nicht bzw. nicht vorschriftsgemäss einnehmen und trotzdem immer mehr Behandlungen und immer bessere (=teurere) Behandlungen wünschen, weil ihnen für ihre Gesundheit wirklich nichts zu teuer ist. Es sind zudem die vielen und immer mehr Patienten, die mit der allerkleinsten Kleinigkeit in die Notfälle unserer Spitäler rennen, weil niemand ihnen dies verwehrt. Es sind auch die immer mehr Immigranten, die keine unserer Landessprachen sprechen (und häufig auch nicht sprechen wollen), die jedoch von den Ärzten und Spitälern verlangen, dass diese für sie teure Dolmetscherinnen anstellen (das gibt's übrigens in kaum einem anderen Land dieser Erde).

Es gibt jedoch keine Parteipolitikerin, die so viel Zivilcourage aufbringt und statt auf den Sack tatsächlich auf den Esel einprügelt – falls denn überhaupt geprügelt sein muss. Wir alle schreien auf, wenn die Prämienrechnung der Krankenkasse im Briefkasten liegt. Aber wir verlangen nach tausend Ärzten und den teuersten Therapien, wenn wir das kleinste Zipperlein haben. Hier liegt der Hase im Pfeffer – doch ihn da rauszuholen tut (wie meist die Wahrheit) Parteipolitikern, Bundesrat und Behörden (und uns allen) offensichtlich zu arg weh.


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