Montag, 6. Juni 2022

Wenn Parteipolitiker (medial) philosophieren

«Si tacuisses, philosophus mansisses», sagten sich die alten Römer: «Hättest du geschwiegen, wärst du ein Philosoph geblieben.» Nur zu oft trifft dies auf Politiker zu, die zu oft in Anwesenheit eines Medienmikrofons zu ausgiebig reden, bevor sie die Bedeutung ihres verbalen Ausgusses richtig bedacht haben.

Jüngstes Beispiel gefällig? Der Parteipräsident der Mitte und Nationalrat, Gerhard Pfister. «Wenn wir uns zwischen Freiheit und Freihandel entscheiden müssen, wähle ich die Freiheit,» liess der Zuger medial verlauten.

Dazu seien ein paar Gedanken erlaubt:

-        Freiheit oder Freihandel? Was wäre dann aber eine Freiheit ohne freien Handel? Etwa eine Art selbstgewählter Zimmerarrest? Was wäre dieser wert? Wäre das wirklich die volle Freiheit? Oder etwa bloss eine Teilfreiheit, gar bloss eine Scheinfreiheit? Der Mensch will frei sein, indem er frei entscheiden, sich frei bewegen und frei handeln kann. Jede Einschränkung des freien Handels ist also auch eine Einschränkung unserer Freiheit – oder?

-        Gibt es ein Land, das seine eigene Freiheit dem Freihandel opfern würde? Wohl kaum. Wenn man davon ausgeht, dass UNO-, OECD- und WTO-Bestimmungen unsere Freiheit nicht über Gebühr einschränken, weil wir ja bei diesen Organisationen freiwillig teilnehmen und deren bisherige Beschlüsse auch «freiwillig» mitgetragen haben: gibt es dann eine klare Grenze, wo die internationale Zusammenarbeit unsere Freiheit derart bedroht, dass wir sie aufgeben? Und wo ist diese Grenze und wer hat sie definiert?

-        Wo und weshalb bedroht der Freihandel unsere Freiheit? Sind es nicht in erster Linie Bedrohungen militärischer Mächte, die ernst genommen werden müssten?

-        Oder meint der Mitte-Präsident, dass allein schon der Handel mit nicht-demokratischen Staaten unsere Freiheit einschränkt oder bedroht? Wie definiert er in diesem Fall die Grenze zwischen Demokratie und Nichtdemokratie? Zur Erinnerung: auch Putin wurde von seinem Volk gewählt; ebenso wie der türkische Erdogan, Ungarns Orban und v.a.m. Was ist mit Monarchien? Oder mit «Scheindemokratien»? Soll der Bundesrat immer per 1. Januar festlegen, mit welchem Land noch Handel und Austausch möglich ist und mit welchem nicht?

-        Lebte die Schweiz als kleines Binnenland bisher nicht in erster Linie (gut) von einem möglichst offenen weltweiten Handel? Soll dieser trotzdem einer neuen Moral geopfert werden? Handel nur noch mit «guten» Staaten – bzw. mit denjenigen, wie wir als gut oder demokratisch definieren?

-        Wer sagt, dass die Demokratie für alle Länder dieser Welt die allein richtige und die beste aller Staatsformen ist? Für uns ist sie unzweifelhaft die beste; aber dürfen wir sie deswegen auch von allen anderen Ländern verlangen? Oder würde dies etwa deren eigene Freiheit zur eigenständigen Wahl des politischen Systems einschränken?

      Oder waren das etwa bloss leere Worte, allein der medialen Aufmerksamkeit geschuldet? Wenn letztere jedoch über politischen Inhalten steht bzw. wenn der Zweck (mediale Aufmerksamkeit) alle Mittel/Inhalte heiligt, wie weit entfernt von der Desinformation wären wir dann noch? Jener Desinformation, an deren Ende ein Missbrauch staatlicher Macht steht?

        Wie sagten doch die alten Römer? «Si tacuisses…

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