«Das bringt Schwung.» So kommentierte die zuständige Bundesrätin Sommaruga (SP) jüngst den erfolgreichen Abschluss des neuen Veloweggesetzes in den eidgenössischen Räten. Man kann sich über ein gutes Schweizer Velowegnetz ebenso freuen wie über das perfekte Wanderwegnetz. Beides wurde von der Mehrheit der Stimmenden an der Urne auch so verlangt. Ob es jedoch innovativ und zukunftsweisend ist, bzw. ob es "Schwung bringt", darüber darf man getrost geteilter Meinung sein. Erst mal sei aber gesagt: Das Velo- ist wie das Wanderwegnetz ein Luxus. Mit Steuergeldern wird hier in erster Linie die Freizeit subventioniert.
Wichtig für Schwung in der Schweiz, für eine erfolgreiche Zukunft unseres Landes und für die Erhaltung unseres Wohlstandes sind jedoch ganz andere Themen. Zum Beispiel die Frage, ob die Schweiz noch lange von der internationalen europäischen Forschung abgeschnitten sein wird oder nicht. Zum Beispiel die Frage, wie lange Gentechnologie bei uns noch verboten sein wird. Zum Beispiel die Frage, ob der Wirtschaftsstandort Schweiz weiter geschwächt wird, indem für ihn negative Vorlagen weiterhin an der Urne angenommen und die positiven verworfen werden. Zum Beispiel die Frage, wann es Bund und Kantonen gelingen wird, die Digitalisierung für mehr Effizienz und Effektivität im Dienste des Landes zu nutzen und ob sie damit Verwaltungskosten sparen werden. Zum Beispiel die Frage, ob es endlich möglich sein wird, das Rentenalter zu erhöhen und damit die Sozialwerke der Altersvorsorge wieder ins Lot zu bringen. Zum Beispiel die Frage, ob wir unser Verhältnis zur EU wieder auf einen konstruktiven Weg bringen können. Zum Beispiel die Frage, ob wir genug investieren in unsere künftige Sicherheit, Souveränität und Freiheit.
Für die aktuelle (Verkehrs-)Politik des Bundes ist das Veloweggesetz leider bezeichnend. Hier, auf einem «Nebenschauplatz» konzentriert man die Kräfte. Während zentrale Verkehrsfragen unbeantwortet bleiben, Probleme weiter einer Lösung harren oder die «Lösungen» an die 60er Jahre erinnern. Beispiel A1: Da werden seit Jahren weite Teile dieser Autobahn neu gebaut. Aber wo bleiben neue Technologien? Wo bleibt die Digitalisierung der Strasse (und damit bald auch des Verkehrs)? Es wäre zudem ein leichtes, viele dieser Autobahnteilstücke etwas tiefer zu legen, damit den Lärm zu reduzieren, die Landschaft zu schonen und zum Beispiel mit Photovoltaik an den Böschungen zusätzlichen Nutzen in Form von dringend benötigtem Strom zu generieren.
Die A1 soll im Gäu auf sechs Spuren verbreitert und dann teilweise überdacht werden. Warum bloss nicht gleich auf acht Spuren ausbauen, indem die heutige Autobahn tiefer gelegt und darüber ein weiterer vierspuriger «Deckel» gelegt wird? Damit würde viel Kulturland und Landschaft erhalten und es müssten nicht alle Brücken entfernt und neu gebaut werden – was wiederum viele Ressourcen sparen würde. Zudem könnte der Schwerverkehr dann «unten» zirkulieren; die Verkehrs-Sicherheit würde erhöht, die Lärmbelastung würde reduziert. Nur, besonders innovativ wäre das auch nicht. Das gibt’s andernorts bereits seit Jahrzehnten. Aber im Vergleich zum Autobahnbau à la 60er-Jahre wäre das immerhin schon mal ein Schritt. Aber vielleicht träumt die Bundesrätin ja davon, die Pannenstreifen der Autobahnen bald in schwungvolle Velowege umzuwandeln. Ganz nach der Devise: Früher sind wir auf vier Beinen gelaufen, heute auf zwei; wir könnten doch auch wieder auf vier wechseln. Und das erst noch als Fortschritt deklarieren.
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