Kennen Sie das auch? Bekannte erklären, sie hätten gegen ihren Willen frühzeitig in Rente gehen müssen, weil sie sonst «viel Geld verloren» hätten. Denn ihre Pensionskasse senke auf dem überobligatorisch Ersparten den Umwandlungssatz. Diese Aussage wird gewöhnlich von Missbehagen bis gröbster Ablehnung begleitet. Die verbale Palette reicht dabei von «ungerecht» bis «unerhört». Nicht selten handelt es sich bei den Klagenden um Personen, die bei staatlichen Institutionen/Stellen tätig waren.
Der Schreibende fragt sich bei solchen Diskussionen, denn diese folgen obiger Aussage auf dem Fuss, ob die betreffenden Pensionskassen und Arbeitgeber derart schlecht – unverständlich und unattraktiv – mit ihren Versicherten kommunizierten; ob die Versicherten wirklich über die Funktionsweise des Systems der 2. Säule derart miserabel Bescheid wüssten; oder ob die Versicherten tatsächlich so egoistisch sind, dass sie sich darüber aufregen, dass sie nicht noch mehr vom Kuchen der nachfolgenden Generationen schlemmen dürfen. Warum wollen die Betroffenen sich nicht selber besser informieren, wollen sie nicht Wissen an die Stelle von Ver- und Vorurteilen setzen?
Auch Abstimmungen über Steuern oder Wirtschaftsfragen werfen seit ein paar Jahren stets Schlagworte in die Luft, die den Schreibenden ratlos zurücklassen: da wird – negativ konnotiert – von «Grosskonzernen» gesprochen, wo eigentlich bloss Unternehmen gemeint sind; da wird den 600'000 Schweizer Unternehmen gesamthaft Abzockerei, Gewinntreiberei, unermessliche Geldgier, asoziales oder wahlweise auch umweltschädliches Verhalten vorgeworfen; da wird die Wirtschaft pauschal als Steuerverweigerin, -hinterzieherin und -betrügerin bezeichnet. Da wird die Wirtschaft – und das ist quasi der Höhepunkt – als die grosse Gegnerin und Feindin des Staates und aller Bürger dargestellt.
Was denken sich Parteileute und NGO-Funktionäre, die solche Dinge behaupten? Liegen sie nachts nicht in einem Bett, das es ohne Möbelschreinereien nicht gäbe und das in einer Wohnung steht, die ein Bauunternehmen erstmal erstellen musste? Sorgen für ihre Wärme nicht Heizungsunternehmen, für das fliessende Wasser Sanitärbetriebe? Auch ÖV-Bus oder Privatwagen sind nicht einfach so vom Himmel gefallen. Alles was wir anfassen, was wir auch immer tun: die Wirtschaft ist überall. Weil wir alle die Wirtschaft sind, weil wir alle Teil, weil wir alle Akteure der Wirtschaft sind.
Die Wirtschaft zu beschimpfen heisst also, uns alle zu beschimpfen. Warum tun wir es dann? Etwa weil Parteiideologen das Ziel verfolgen, die Wirtschaft zu verstaatlichen? So ähnlich wie das die Kommunisten versuchten und damit grandios scheiterten? Weil wir die Worte glauben (oder nachplappern), die uns von «Teil- und Selbstinteressenvertretern» in den Mund gelegt werden? Weil wir aus persönlichem Desinteresse oder Bequemlichkeit gar nicht, bloss lückenhaft oder einfach zu wenig informiert sind?
Wie auch immer die Antwort lauten mag: Die Demokratie verlangt nach informierten und selbständig denkenden Bürgerinnen und Bürgern – oder würde das zumindest verlangen.
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