Sonntag, 5. Dezember 2021

Die weitsichtige oder die Egoistengeneration?

Der Bundesrat lehnt – offenbar aus Angst vor der Volksmehrheit – die Volksinitiative der Jungfreisinnigen für eine schrittweise Erhöhung des Ordentlichen Rentenalters (ORA) ohne Gegenvorschlag ab. Obwohl jeder vernünftige Mensch weiss, dass wir um eine Erhöhung des ORA nicht herumkommen. Bei der Einführung der AHV lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 65 Jahre; heute liegt sie fast 20 Jahre höher. Da muss doch das System aus dem Gleichgewicht geraten. 

Je eher wir die Sache anpacken, umso erträglicher für alle Betroffenen. 

Tatsächlich haben wir aber schon sehr viel Zeit verloren. Viele europäische Länder haben das Rentenalter bereits vor Jahren angehoben und konnten damit grosszügige Übergangsfristen und Abfederungen «einbauen». Wenn das Haus einmal brennt, kann man bekanntlich nicht mehr über den Brandschutz und die Feuerwehr diskutieren.

Es geht langsam aber sicher auch um viel mehr. In den Vordergrund rückt zunehmend die Frage, ob die Generation jener, die bald ins Rentenalter kommt (jener der geburtenstarken Jahrgänge) nur an sich denken bzw. möglichst viel Wasser auf ihre eigene Mühle lenken will oder ob sie auch etwas für die kommenden Generationen übrig lässt. In diesem Zusammenhang fällt völlig repetitiv das Argument: «Wir haben ein Leben lang hart gearbeitet. Wir haben es verdient, endlich den Ruhestand geniessen zu dürfen.»

Doch erstens können das (hoffentlich) alle Generationen von sich behaupten und zweitens stellt sich die doppelte Frage nach dem Wieviel. Wieviel wurde denn während des Arbeitslebens für den Ruhestand auf die Seite gelegt? Und: Wie viele Jahre müssen die Sozialversicherungen für meine Lebenshaltungskosten aufkommen? 

Und es stellt sich noch eine dritte Frage: Wenn das freiwillig auf die Seite Gelegte und das Zwangsgesparte nicht für alle meine Ruhestandsjahre ausreichen, wer soll dann den Rest bezahlen?

Bis heute lautete die Antwort auf diese Frage stets: die nächste, die junge Generation. Aber: wäre das derart schlimm, diese Antwort in Frage zu stellen? Wäre es derart schlimm, auch an die Bedürfnisse der nachfolgenden Generationen zu denken? Ihnen auch etwas Wasser aus dem Mühlebach zu gönnen? Oder möchte die Babyboomer-Generation als die grosse Egoisten-Generation in die Geschichte der Schweiz eingehen?

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