Montag, 27. Dezember 2021

Mit Vollgas Richtung Mauer?

Zahlreiche Gemeinden, viele Kantone und der Bund werden auch 2022 mehr Obuli von ihren Einwohnern und Steuerzahlerinnen einfordern. Ob direkte oder indirekte Steuern, ob Lohnabzüge oder höhere Abgaben: alles strebt nach oben. Manches wird unser Portemonnaie schon bald mehr belasten, Anderes kommt 2023 und in den Folgejahren auf uns zu.

Die Steuern, in Krisenjahren besonders angehoben, sinken bekanntlich auch in wirtschaftlich guter Zeit nicht – bis dann die nächste Krise den Politikern und Behörden wieder neue Argumente für Steuererhöhungen liefert. Einmal sind es die Hausbesitzer, dann die Arbeitnehmer, dann die Sparsamen und Vorsichtigen (zu oft mit «den Reichen» gleichgesetzt), dann die Autobesitzer, dann die Strombezüger, dann die Raucher, dann die Biertrinker, dann ….

Wer je gehofft hatte, die diesbezügliche Fantasie der Politiker werde irgendeinmal versiegen, sieht sich mehr als je getäuscht. Jüngst spielen in diesem Konzert gar Organisationen mit, die das eigentlich gar nicht als Aufgabe und Zweck haben; zum Beispiel die EU oder die OECD. Auch wenn diese es vor allem auf die Unternehmen abgesehen haben: was die Unternehmen an den Fiskus abliefern müssen, wird die Preise ihrer Dienstleistungen und Produkte steigern – am Ende bezahlen die Rechnung erneut die Konsumentinnen oder – ehrlicher – die Staatsbürger und Steuerzahlerinnen.

Der Staat entfaltet - auch in der Schweiz - eine steuerliche und Abgaben-Kreativität, die in anderen Bereichen ihresgleichen sucht. Stets wird dem Bürger suggeriert, das sei bloss vorübergehend und später gebe es Entlastungen. Obwohl dieser Bürger nur zu gut weiss, dass bloss zwei Dinge ganz sicher sind: dass Staatsausgaben und dass Steuern stetig steigen.

Jedermann ist klar, dass das nicht beliebig so weitergehen kann. Bereits arbeitet der durchschnittliche Deutsche bis Ende Sommer für den Staat – und erst danach für die eigene Kasse. Dabei ist Deutschland in der EU noch lange keine Steuerhölle. Andere EU-Mitglieder greifen noch rigoroser zu. Weil gleichzeitig auch die Staatsschulden in den letzten 50 Jahren enorm gestiegen sind, müsste eigentlich jedem knapp nüchternen Menschen klar sein, dass das so sicherlich nicht weitergehen kann. Das Fass ist bereits übervoll. Jeder neue Tropfen kann es zum Überlaufen bringen.

Weniger Staat und weniger Geld für den Staat ist das einzige Rezept, das aus dieser Sackgasse leerer Kassen führt. Nein, das muss kein Staatsabbau im grossen Stil sein. Bloss sollen die Staatsausgaben nicht mehr schneller wachsen als das Bruttosozialprodukt. Das allein würde die öffentlichen Kassen bereits erheblich entlasten. Nur ist das leider nicht in Sicht. Denn bis weit in die politische Mitte hinein wird reflexartig «Staatsabbau» gerufen, wenn allein das Wachstum der Ausgaben etwas verlangsamt werden soll.

Wer auf diese Weise weitermacht, betätigt noch das Gaspedal, obwohl das Gefährt direkt Richtung Mauer steuert. Die kommenden Generationen haben zum Jahreswechsel etwas Schöneres verdient, als die Perspektive, diesen so entstehenden Schrotthaufen einmal wegräumen zu müssen. Meinen Sie nicht auch?

Mittwoch, 22. Dezember 2021

Parteimoral über Rechtsstaat: DAS Zukunftsmodell für die Schweiz?

Steht die Parteiideologie und -politik über dem Rechtsstaat? Nicht das erste Mal muss dies hier thematisiert werden. Bedauerlicherweise führen sich die in den grossen Schweizer Städten regierenden grün-roten Koalitionen immer mehr so auf, als gälten für sie weder Verfassung noch Gesetz.

Dies ist allerdings bloss konsequent, denn die entsprechenden Parteien haben die – allein von ihnen selbst definierte – Moral bereits mehrmals und sehr deutlich über Recht und Verfassung gestellt. Was wiederum auffällig an den Absolutismus des 16. und 17. Jahrhunderts erinnert. Damals haben jene, welche die Macht hatten, diese ebenfalls verabsolutiert und sich selbst über jede Rechtsordnung gestellt. Getreu dem Grundsatz: Das Recht mache und bin ich.

Eine äusserst bedenkliche Entwicklung. Besonders bedenklich auch deshalb, weil die Medien als «Korrekturgewalt» im Staat fast vollständig ausfallen. Kein Wunder, dass da Bundesrat Berset (SP) persönlich sich nicht zu schade ist, für eine reine Werbekampagne des Ringier-Konzerns in Zürich den Kopf und mithin seine gesamte politische Glaubwürdigkeit buchstäblich herzugeben. Dazu passt denn – diese Zwischenbemerkung sei erlaubt – wie das Sauhäfeli zum Saudeckeli das neue Mediengesetz, vom Bundesrat auf die Reise geschickt, um den grossen Medienkonzernen Hunderte von Steuermillionen zuzuschanzen.

Soeben hat der Zürcher Bezirksrat den Stadtrat zurückgepfiffen, weil er mit seinem Handeln diverse Gesetze und die Kantonsverfassung in gröbster Weise verletzt hat. Das scheint den Stadtrat jedoch nicht zu kümmern. Er fährt mit seiner Politik fort als wäre nichts passiert. Und der mediale Aufschrei bleibt aus. Die NZZ bleibt nicht überraschend die alleinige Ruferin in dieser Wüste der pseudomoralischen rechtlosen Beliebigkeit.

Es ist erstaunlich wie empfindlich manche Schweizerinnen und Schweizer bezüglich eines Impfzwangs oder -drucks reagieren und wie offensichtlich unempfindlich die offensichtliche Missachtung der Rechtsstaatlichkeit in anderen Bereichen hingenommen wird. 

Es ist hingegen nicht (mehr) erstaunlich, dass dem Schreibenden beim Gebaren der linksgrünen Zürcher Stadtregierung plötzlich die totalitäre chinesische Regierung einfällt mit ihrem neusten Machwerk, in dem sie behauptet, China sei die beste Demokratie der Welt. Irgendwie sind sich diese Demokratiebegriffe seltsam und beängstigend verwandt.

 

Samstag, 18. Dezember 2021

Vorbildliche und kreative Steuerpolitik

Das ist aktive und weitsichtige Steuerpolitik: Der Kanton Schaffhausen hat am letzten Abstimmungswochenende mit mehr als 68% der Stimmenden eine Änderung des Steuergesetzes angenommen. In Schaffhausen dürfen Unternehmen neu freiwillig mehr Steuern bezahlen.

Paradox? Nein. Die OECD verlangt bekanntlich, dass Grossunternehmen künftig auf ihren Gewinnen mindestens 15% Steuern bezahlen müssen. Weil das in Schaffhausen heute weniger ist und weil die zusätzlichen Steuern nicht nur an sich ärgerlich sind, sondern für die Unternehmen auch eine grosse administrative Belastung darstellen, bietet ihnen Schaffhausen quasi das kleinere Übel an.

Und wer profitiert davon?

Die Staatskasse des Kantons Schaffhausen, die KMU-Zulieferbetriebe, die Arbeitnehmenden, deren Arbeitsplätze vor Ort bleiben und die Grossunternehmen selbst, die auf diese Weise wenigstens die zusätzlichen administrativen Aufwendungen sparen. Also eine tolle Win-win-Situation.

Bleibt nur die Frage, weshalb Schaffhausen bisher als einziger Schweizer Kanton auf diese Idee kam und sie auch gleich umsetzte.

P.S. Angesichts solcher Tatsachen stehen die massiven Steuererhöhungen für Unternehmen in Grenchen und Olten (und der Versuch dazu in Langendorf)  erst recht äusserst fragwürdig und als Gegenteil einer entwicklungs- und finanzplanerischen sowie einer wirtschaftspolitischen Weitsicht in der Landschaft.


Mittwoch, 15. Dezember 2021

Konzept- und ziellos ins Debakel?

Der Gegenvorschlag der Solothurner Regierung zur «Jetz si mir draa»-Initiative spricht eine eindeutige, eine eindeutig erschreckende Sprache. Der Kanton Solothurn soll für den Mittelstand und für gute Steuerzahler definitiv unattraktiv werden. Steuerlich entlastet werden sollen all jene, die den Staat mehr kosten als sie Steuern bezahlen – bestraft werden sollen all jene, die Wohneigentum besitzen.

Damit wird Solothurn – völlig entgegen der Intention der «Jetz si mir draa»-Initianten – in der nationalen Steuerstatistik noch weiter nach hinten rutschen und sich endgültig am Ende dieser Tabelle festsetzen.

Bleibt bloss noch die Frage, welches Ziel denn die Regierung mit diesem Gegenvorschlag verfolgt; falls er denn wirklich ernst gemeint ist und falls sie denn überhaupt ein Ziel hat. Soll auf diese Weise Solothurns Steuerkraft mittelfristig so weit gesenkt werden, dass der Kanton aus dem Finanzausgleichstopf noch mehr Geld pro Kopf erhält als heute die Kantone Uri, Wallis oder Jura?

Eine derart massive und plötzliche Erhöhung der steuerlichen Liegenschaftsbewertung, wie sie die Regierung vorschlägt, wäre für die Schweiz absolut einmalig. Für die meisten Wohneigentümer dürften die Steuerfolgen verheerend sein. Da müssten vielfach aus reinen Renteneinkommen plötzlich hohe Vermögenssteuern und wegen dem analog gestiegenen Eigenmietwert erhöhte Einkommenssteuern bezahlt werden. Dabei fielen diese Steuererhöhungen mit einer stark anziehenden Teuerung zusammen, welche ausgerechnet die Rentnerinnen über Gebühr belastet.

Irgendwie erscheinen diese Regierungsvorschläge aber (leider) höchst konsequent: Sie stehen in der ganzen Reihe jener «Massnahmen», die dem Kanton Solothurn künftig noch den letzten Rest an Standortattraktivität austreiben sollen. Eine solche Politik ist allermindestens als konzept- und ziellos zu bezeichnen. Dass sie für die Zukunft dieses Kantons nichts Positives bewirkt, liegt auf der Hand.

Solothurn braucht dringend eine mutige Regierung und mutige Taten. Der Kanton muss konsequent entreguliert (die Staatsquote ist zu hoch) und die Steuern müssen deutlich gesenkt werden. Dann hat dieser «Bajass» mit «viel Hag und wenig Garten, wenig Speck, viel Schwarten» (Hans Derendinger, FDP, Olten, gestorben 1996), eine Zukunft. Sonst nicht. Das ist leider die nackte und harte Realität. Und nur diese zählt am Ende – und weder ein linkes oder grünes Parteiprogramm noch konzeptlose Taktiererei.

Montag, 13. Dezember 2021

Zum Schmunzeln, zum Bangen oder reif für die Psychiatrie

Hoffentlich sind das die letzten Blog-Zeilen zu diesem leidigen Thema.

Ist es Ihnen auch aufgefallen? 

Eine Aargauer Nationalrätin verlangt eine Impfpflicht für die älteren Herrschaften (ü65), das Parlament entscheidet, dass alle Steuerzahler weiterhin für die Kosten jener aufkommen müssen, die sich testen lassen (wollen/müssen) und eine Bundesrätin prognostiziert die baldige 2G-Pflicht; also keine Testzertifikate mehr. Weitere Corona-Meldungen können Sie nach Belieben hier anfügen.

Ausserdem verkünden die zuständigen Ärzte täglich: «Unsere Intensivstationen sind randvoll – von Ungeimpften. Wir können (bald) nicht mehr.» Und die Ärzte betonen, dass ein einziger Corona-Patient auf der IPS mehr als CHF 100'000 koste. 

Der Bund hat auf Vorschlag von Bundesrat Berset (SP) im November Millionen für eine Impfwoche ausgegeben, die in der Impfquote nicht spürbar war. Der gleiche Bundesrat will wieder einen teilweisen Lockdown einführen - hat aber 2G noch nicht verordnet. Er liest offenbar die Medien nicht. Dort stand zu lesen: Die Intensivstationen sind überfüllt mit Nichtgeimpften und mit Immigranten. Nimmt der Bundesrat die Gesamtwirtschaft und die Gesamtgesellschaft in Sippenhaft?

Familien klagen, dass ihre Kinder nun schon zum sechsten Mal in Quarantäne müssten. Gleichzeitig stellt BR Berset in aller Seelenruhe die Impfmöglichkeit für Kinder ab Januar 2022 "in Aussicht" (Zitat). In Mitteleuropa gehört die Schweiz damit zu den Letzten. 

Wenn seit Ihrer 2. Impfung ein Tag weniger als 6 Monate vergangen sind, dürfen Sie nicht boostern. So geschehen letzte Woche in Zürich. Und überhaupt: während andere Länder im Oktober exzessiv mit Boostern begannen, nehmen es die Schweizer Behörden damit ausserordentlich gemütlich.

Bringen Sie das alles auf einen Nenner? Dann sind Sie ein Genie und sollten sich beim BAG (Bundesamt für Gesundheit) in Bern melden. Solche können die dort unbedingt gebrauchen.

Nun, unsere Behörden verwalten die Pandemie nicht so schlecht. Bloss ist «nicht schlecht» noch lange nicht «gut». Es besteht noch Luft nach oben, manchmal etwas zu viel Luft. Unsere stete vage Hoffnung: beim nächsten Mal können sie es (vielleicht) besser.


Samstag, 11. Dezember 2021

Das Leben dauert länger - nicht die Rente wird weniger

Die mediale Berichterstattung hat einen grossen Einfluss auf die Meinungsbildung in der Bevölkerung. Das ist eine alte Tatsache. In einer direkten Demokratie hat daher eine fundierte und sehr sorgfältige journalistische Arbeit eine grosse Bedeutung. Dabei ist auch wichtig, dass sogenannte «Forumszeitungen» wie der Zürcher Tages Anzeiger oder die aargauische Solothurner Zeitung sauber zwischen der Darlegung der Fakten und der persönlichen Meinung der Medienschaffenden unterscheiden. Noch wichtiger ist dies bei der SRG, die als zwangsgebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Sender weder einer Partei noch einer NGO verpflichtet ist, sondern allein einer sachlich-korrekten, präzisen Berichterstattung.

Eben erst diskutierte der Nationalrat über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG / 2. Säule). Die Front-Schlagzeile der CH-Media-Blätter lautete: «Mehr sparen für die gleiche Rente». Die SRG titelte: «Weniger Pensionskassen-Rente».

Leider sind beide Schlagzeilen inhaltlich falsch. Sie lassen zudem den Schluss zu, dass die zuständigen Medienschaffenden parteipolitisch dem links-grünen Lager nahestehen, denn sie verwenden deren Wording.

Wenn beim Erreichen des Ordentlichen Rentenalters (ORA) das angesparte Geld in der 2. Säule von Hans Muster heute zum Beispiel CHF 600'000 beträgt, wird dies auch nach der Pensionskassenreform so sein. Es wird kein einziger Rappen fehlen. Das Problem ist jedoch, dass Hans Muster aktuell mehr Lebensjahre vor sich hat, als die 14, die bei der Einführung der 2. Säule 1985 prognostiziert wurden. Das ist einerseits erfreulich für Hans Muster, anderseits müssen nun die CHF 600'000, die er selber und seine Arbeitgeber über alle Erwerbsjahre hinweg angespart haben, ein paar Jährchen länger reichen. Damit fallen die einzelnen Jahres- und Monatsrenten leicht tiefer aus, als wenn Hans Muster spätestens mit 79 Jahren sein Domizil definitiv auf den Friedhof verlegen würde.

Es muss hier also niemand für die gleiche (Gesamt-)Rente mehr sparen. Und es kriegt auch niemand weniger Rente. Denn die Rente bleibt gleich hoch wie bisher – sie verteilt sich bloss auf mehr Lebensjahre. Und wer möchte, dass diese Teile am Ende gleich hoch sind wie bisher, der muss während seines Arbeitslebens mehr auf die Seite schaffen. Oder, und diese Möglichkeit bleibt heute wie morgen für Alle offen: Hans Muster arbeitet noch ein oder zwei Jahre länger (z.B. in Teilzeit) und verzichtet in dieser Zeit auf die Rentenzahlungen. Das wäre eigentlich die einfachste und eleganteste – und am Ende auch die individuellste Lösung.

Donnerstag, 9. Dezember 2021

Herzlichen Dank!

Liebe Blog-Leserin, lieber Blog-Leser

Kürzlich hat dieser Blog ein kleines Jubiläum feiern können: Mehr als 20'000mal wurde inzwischen ein Beitrag angeschaut oder vielleicht sogar gelesen. Das ist nicht allzu viel, aber immerhin eine schöne Zahl.  

Die runde Zahl soll den Anlass bilden für ein herzliches Dankeschön an alle Leserinnen und Leser, die sich hoffentlich jetzt nicht mehr einsam fühlen... 

Der Schreiberling wünscht Ihnen allen frohe Festtage und ein erfolgreiches und glückliches neues Jahr!

Haben Sie bitte Verständnis dafür, wenn der Blog über die kommenden Festtage etwas seltener ausfällt.

Ihr Blog-Schreiber

Mittwoch, 8. Dezember 2021

Die Schwierigkeit der Pflegenden mit dem Impfen

Der Schweizerische Verband der Pflegefachleute ruft die Landsleute dazu auf, doch bitte Abstand zu wahren, Masken zu tragen und sich möglichst allein zu Hause einzuigeln. Dies, um die Pflegenden zu entlasten. So weit so gut.

Dieser Aufruf ist bloss etwas seltsam. Warum, fragt sich der neugierige Laie, ruft der Verband der Pflegenden nicht dazu auf, sich unbedingt impfen zu lassen? Sagen doch alle Epidemiologen und Infektiologen, dass die Impfung das mit Abstand wirksamste Mittel gegen eine schwere Corona-Erkrankung sei.

Wer sich in den Arztpraxen und unter Pflegefachleuten umhört, erkennt sofort, dass dort die Impfskepsis sehr stark verbreitet ist. Dabei spielt nicht einmal eine Rolle, wie lange die Impfung bereits auf dem Markt ist. Seit langem weiss jede Geschäftsführerin eines Alterspflegeheims, wie schwierig es ist, die Angestellten jeweils im Herbst für eine Grippeimpfung motivieren zu können. Denn sicher ist: jede Grippe kann bei hochbetagten Menschen zum Tod führen.

Deshalb ist dieser Aufruf seltsam: weil der Verband aus Rücksicht auf die vielen eigenen impfskeptischen Mitglieder auf einen Impfaufruf verzichtet. Es sind aber gerade die Verbände und die Fachleute des Gesundheitswesens, deren Aufrufe hier äusserst glaubwürdig wären. Wenn die Fachleute selbst in derart grosser Zahl derart skeptisch sind, wie können dann die vielen Impfskeptikerinnen in unserem Land überzeugt werden?

Tragisch ist, dass ausgerechnet diese verbreitete Skepsis unter Pflegefachleuten von eben diesen Fachleuten in Form von äusserst grosser beruflicher Belastung «ausgebadet» werden muss. Es wäre deshalb wirklich nötig, dass sich fundierte Studien mit der Frage beschäftigen, weshalb gerade in der Schweiz derart viele Pflegefachleute gegenüber der Schulmedizin so kritisch eingestellt sind.

Auf die Ergebnisse dürfte man jedenfalls gespannt sein.

Sonntag, 5. Dezember 2021

Die weitsichtige oder die Egoistengeneration?

Der Bundesrat lehnt – offenbar aus Angst vor der Volksmehrheit – die Volksinitiative der Jungfreisinnigen für eine schrittweise Erhöhung des Ordentlichen Rentenalters (ORA) ohne Gegenvorschlag ab. Obwohl jeder vernünftige Mensch weiss, dass wir um eine Erhöhung des ORA nicht herumkommen. Bei der Einführung der AHV lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 65 Jahre; heute liegt sie fast 20 Jahre höher. Da muss doch das System aus dem Gleichgewicht geraten. 

Je eher wir die Sache anpacken, umso erträglicher für alle Betroffenen. 

Tatsächlich haben wir aber schon sehr viel Zeit verloren. Viele europäische Länder haben das Rentenalter bereits vor Jahren angehoben und konnten damit grosszügige Übergangsfristen und Abfederungen «einbauen». Wenn das Haus einmal brennt, kann man bekanntlich nicht mehr über den Brandschutz und die Feuerwehr diskutieren.

Es geht langsam aber sicher auch um viel mehr. In den Vordergrund rückt zunehmend die Frage, ob die Generation jener, die bald ins Rentenalter kommt (jener der geburtenstarken Jahrgänge) nur an sich denken bzw. möglichst viel Wasser auf ihre eigene Mühle lenken will oder ob sie auch etwas für die kommenden Generationen übrig lässt. In diesem Zusammenhang fällt völlig repetitiv das Argument: «Wir haben ein Leben lang hart gearbeitet. Wir haben es verdient, endlich den Ruhestand geniessen zu dürfen.»

Doch erstens können das (hoffentlich) alle Generationen von sich behaupten und zweitens stellt sich die doppelte Frage nach dem Wieviel. Wieviel wurde denn während des Arbeitslebens für den Ruhestand auf die Seite gelegt? Und: Wie viele Jahre müssen die Sozialversicherungen für meine Lebenshaltungskosten aufkommen? 

Und es stellt sich noch eine dritte Frage: Wenn das freiwillig auf die Seite Gelegte und das Zwangsgesparte nicht für alle meine Ruhestandsjahre ausreichen, wer soll dann den Rest bezahlen?

Bis heute lautete die Antwort auf diese Frage stets: die nächste, die junge Generation. Aber: wäre das derart schlimm, diese Antwort in Frage zu stellen? Wäre es derart schlimm, auch an die Bedürfnisse der nachfolgenden Generationen zu denken? Ihnen auch etwas Wasser aus dem Mühlebach zu gönnen? Oder möchte die Babyboomer-Generation als die grosse Egoisten-Generation in die Geschichte der Schweiz eingehen?

Mittwoch, 1. Dezember 2021

Bitte Toleranz statt Rechthaberei

 Es gibt ein Wort, das in den letzten Wochen in der Schweiz so häufig betont wurde wie kein anderes: «Spaltung». Die Referendums-Abstimmung über das revidierte Covid-Gesetz spalte die Gesellschaft, spalte das Land, spalte, spalte, spalte…

Jetzt ist die Abstimmung vorbei. Was bleibt, ist die Impffrage, die eigentliche Frage dieser Abstimmung, für die das Covid-Gesetz bloss der Platzhalter war. Geht also die Spaltung weiter? Die Diskussionen über das Impfen werden nicht verstummen. Hier geht es nicht um Politik, sondern um Emotionen, um Fragen mit religionsähnlichem Charakter. Und darüber kann man nicht diskutieren. Diese Fragen betreffen uns derart zentral und intim, dass Sachlichkeit dabei grundsätzlich einen äusserst schweren Stand hat.

Politiker und Medien können nun damit weiterfahren, die Spaltung der Gesellschaft bei jeder Gelegenheit zu betonen. Die Autopartei wollte die Schweiz einst in Nicht- und in Autofahrer spalten; die Grünen wollen sie in Vegetarier/Veganer und Allesesser spalten; die Feministinnen in Frauen und Männer bzw. Nichtfrauen; die SVP in Europa-Befürworter und in ebensolche Gegner, die SP in Arbeitnehmer und -geber, etc.

Nur löst – gerade in einem basisdemokratischen Staatswesen - diese Spaltungsaffinität weder ein Problem, noch baut sie Brücken zwischen verschiedenen politischen Lagern, Religionen oder gesellschaftlichen Überzeugungen. Wer dauernd die Spaltung herbeiredet, leistet keinen Beitrag zu einem erfolgreichen und friedlichen Staatswesen.

Es ist an der Zeit, wieder Gemeinsamkeiten zu betonen und die Toleranz aus dem Mottenschrank hervor zunehmen. Demokratie benötigt weder Spaltung noch das Recht der Stärkeren, sondern Toleranz und Rücksichtnahme. Wir sitzen alle im gleichen Boot.

(Damit kein falscher Eindruck aufkommt: der Schreibende ist dreifach geimpft)