Freitag, 15. Oktober 2021

... und im Schuldfall Alle für Einen?

Eine Gelegenheit findet sich immer: eine, um das Thema Kolonialismus aufzuwerfen. Einmal ist es eine Dissertation, ein andermal ein Buch. Inhalt: eine Schweizerin oder ein Schweizer wanderten vor z.B. 200 oder 300 Jahren aus, irgendwohin in die Welt. Er hatte dort Erfolg, wurde Unternehmer, allenfalls auch Politiker. Kehrte später manchmal als reicher Mann, manchmal als armer Mann und manchmal gar nicht mehr in die Schweiz zurück. Soweit die Geschichte. Was folgt, ist meist eine direkte oder indirekte Be- und Verurteilung, eine Schuldzuweisung an die Schweiz im Zusammenhang mit dem Stichwort Kolonialismus.

Die Schweiz als Land wird also hier in Sippenhaft genommen. Was immer einer von uns irgendwann früher getan hat, haftbar gemacht wird dafür das ganze Land, unsere ganze Bevölkerung.

Angesichts der Tatsache, dass grosse Kolonialisten wie die Engländer, die Franzosen oder die Spanier noch heute von der einstigen Vergangenheit profitieren und dass Wiedergutmachung hier kaum je diskutiert wird, erscheint dieser kritische Blick auf die Schweiz zumindest in einem sehr seltsamen, sehr indifferenten Licht.

Wenn die gleichen Journalisten gleichzeitig ganze Fernsehabende füllen mit Schweizerinnen, die heute auswandern, fragt sich der geneigte Zuschauer schon, weshalb es nicht das Gleiche ist, wenn doch zwei das Gleiche tun. Umso mehr als die heutigen Auswanderer häufig sogenannte Drittweltländer wählen oder zumindest sogenannte Schwellenländer, wo sie mit dem starken Franken im Rücken eine neue, meist eine erfolgreiche(ere), sprich geldbringende Existenz aufbauen wollen. Die Auswanderer früherer Jahrhunderte taten dies dagegen meist aus Gründen der akuten Not. Sie wollten Hungersnot und grosser Armut entfliehen.

Es ist das Recht jedes Menschen, sich dort niederzulassen, wo er will. Es ist sein Recht, dort wo er sich niederlässt auch erfolgreich zu sein. Zum Beispiel als Geschäftsmann, als Missionar oder als Wohltäter. Ob er sich am neuen Lebensmittelpunkt moralisch oder rechtlich schuldig macht, ist ebenso seine Sache (bzw. jene der lokalen Justiz), wie wenn er dies in der Schweiz tut. Es kann aber nicht sein, dass die «Daheimgebliebenen» für die Taten der Ausgewanderten geradestehen müssen. Das ist heute nicht so – und das war auch vor 200 Jahren nicht so. Das sei ein paar Journalisten – vor allem bei der SRG – einmal ins Stammbuch geschrieben.

 

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