Was im vergangenen Jahr in der Romandie passierte, scheint Schule zu machen: Richter entscheiden nicht nach dem Gesetz, sondern nach ihrer persönlichen Befindlichkeit. Damals befand ein Richter, der Hausfriedensbruch der Klimagegner in der Filiale einer Schweizer Grossbank sei aufgrund des übergeordneten ideellen Zieles rechtens gewesen, bzw. nicht zu sanktionieren. Vor höheren Gerichtsinstanzen dürfte dieses «Urteil» der untersten Rechtsinstanz nicht standhalten. Dies als Trost für alle jene, die damit – völlig zu Recht – den Beweis erbracht sehen, dass in unserem Land nicht mit gleichen Ellen gemessen wird; auch nicht von der Judikative.
Diesmal jedoch ist es ein Solothurner Oberrichter, der sich ein Recht herausnimmt, das sonst allein dem Papst möglich ist (von dem dieser aber bereits seit Jahrzehnten keinen Gebrauch mehr macht): allein nach seinem persönlichen Gusto zu urteilen. Im Falle eines Aktivisten, der beim Schlachthof der Firma Bell (notabene einer Coop-Tochter, in deren oberstem Gremium seit jeher die SP bestens vertreten ist) in Oensingen zusammen mit seinen Kumpanen für grössere Schäden gesorgt hat, meinte der Oberrichter: «Die ideelle Motivation (…) vermindert Ihre Schuld.».
Da bleibt einem braven Schweizer Bürger, der sich täglich darum bemüht, alle möglichen und unmöglichen Gesetze einzuhalten, schlicht die Spucke weg. Wer also künftig zu schnell fährt, weil er dringend rechtzeitig zur Arbeit erscheinen will; wer sein Auto im Parkverbot abstellt, weil er sonst zu spät zur Messe kommt; wer das Haus des Nachbarn anzündet, weil der mit seinem Motorrasenmäher jeden Samstag die Luft verpestet bzw. dem Klima schadet und die Quartierruhe stört: alle diese «Sünder» dürfen also künftig damit rechnen, von diesem Solothurner Oberrichter mit Samthandschuhen angefasst zu werden.
Bloss wäre da vorher noch genau abzuklären, welche ideellen Motive denn dem besagten Oberrichter als ideell genug erschienen, um eine Strafminderung zu gewähren. Am einfachsten wäre, der Oberrichter hält diese Kriterien auf dem Internet fest. Die Kolleginnen könnten es ihm gleichtun, damit auch diesbezüglich volle Transparenz herrscht. Anderseits wäre auch wichtig zu wissen, welche Tatmotivation denn in den Augen dieses Richters strafverschärfend wirkt. Denn das wäre ja die andere Seite dieser Medaille.
Ein Beispiel: Wer zu schnell fährt, weil er schnelles Fahren
lustig findet oder einfach cool, müsste auf diese Weise allenfalls mit einer
doppelten Busse rechnen. Wer es hingegen tut, um dem Klima zu schaden, dem
würde besagter Oberrichter wohl die dreifache Busse aufbrummen.
Frage: sind wir eigentlich noch in der rechtsstaatlichen Realität oder bewegen
wir uns bereits auf der Narrenbühne der Beliebigkeiten?
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