Samstag, 5. Juni 2021

Staatlich beförderte Staatsabhängigkeit

Wenn die Teuerung hoch ist, geht es den Sparern an den Kragen. So die allgemein anerkannte ökonomische Regel. Seit Mitte der 90-er Jahre haben wir in der Schweiz eine sehr niedrige Teuerung. Seit Mai 1993 stieg die Teuerung gemäss BfS um gerade einmal 10.7% (April 2021); und dies innerhalb von 28 Jahren. Gute Zeiten also für Sparer bzw. für die ältere Generation, die sich für die letzten Lebensjahre den einen und anderen Franken auf die Seite gelegt haben? Eigentlich schon. Wären da bloss nicht die hohen Bankgebühren und die Negativzinsen.

Eine weitere Maxime ist, dass die Besteuerung nach der tatsächlichen «wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit» erfolgen soll. Gerade davon jedoch weicht die Steuerwirklichkeit immer häufiger ab. So lassen sich die Zinsen für Darlehen, Kredite oder Hypotheken von den Einkommenssteuern abziehen. Das leuchtet ja auch ein, denn sie schmälern mein Einkommen.

Die Steuer-Legiferierer rechneten aber nicht mit den Negativzinsen. Und auch nicht damit, dass solche über eine lange Zeit zu bezahlen sein müssten. Schon ab einem Sparbetrag von 100'000 Franken verlangen neu viele Banken einen Negativzins (von Postfinance z.B. beschönigend als "Guthabengebühr" tituliert) von meist 0.75 Prozent; notabene kaum weniger als für eine Hypothek an Schuldzinsen fällig wird. Diese Saldo-Grenze sank in den letzten Jahren kontinuierlich und wird wohl noch weiter sinken. Gleichzeitig nahmen die Bankgebühren Jahr um Jahr zu.

Negativzinsen fallen für die Steuerbehörden gemäss aktuellem Steuerrecht jedoch nicht unter die Schuldzinsen, weil sie nicht für eine Schuld (also einen Negativ-Saldo) zu entrichten sind, sondern paradoxerweise für ein Guthaben (also einen Positiv-Saldo). Deshalb werden sie aus Steuersicht unter die «Versicherungsprämien und Sparzinsen» subsumiert. Denn zur Förderung des privaten Sparens und damit zur Entlastung der staatlichen Fürsorge konnten früher einmal Sparzinsen bis zu einem bestimmten Betrag vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Hierzu hält etwa die Solothurner Steuerverwaltung bloss lapidar fest: Weil die Krankenversicherungsprämien inzwischen relativ hoch sind, «können die Sparzinsen aber faktisch nicht mehr in Abzug gebracht werden.» Was bei den Sparzinsen nicht mehr funktioniert, das funktioniert jedoch erst recht nicht bei den Negativzinsen und den Bankgebühren.

So bleibt denn der private Sparer gleich auf allem sitzen: Er muss für sein Erspartes jährlich Steuern und der Bank noch Zins abliefern. Die ursprüngliche politische Idee, dass privates Sparen gefördert werden soll, scheint dennoch keine einzige der vielen politischen Parteien zu kümmern. Irgendwie und seltsamerweise passt das auch zur Philosophie hinter der Pandemie-Bekämpfung: Wer für sich selbst sorgt, ist sowieso selber schuld. Der Staat allein ist ja letztlich für mein Wohlergehen zuständig. 

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