Sonntag, 9. Mai 2021

Moraliker verdienen keine Toleranz

Haben die Moraliker nun das Sagen? Immer mehr Institutionen und sogar Unternehmen unterwerfen sich «freiwillig» den Forderungen der Moraliker und Identitären. Universitäten, bisher in Mitteleuropa der Ort freien Wissens und Forschens, lassen sich von Leuten vereinnahmen, die nichts anderes im Schild führen, als die ganze Welt ihrer Denkweise unterzuordnen, in ihre Ideologie zu zwingen. Und dies mit dem Anspruch, diskussionslos das Recht UND die Moral auf ihrer Seite zu wissen.

Haben wir dafür gekämpft in Europa? Waren alle die politischen Freiheitskämpfer ebenso wie die Bemühungen der Philosophen, vor allem der Aufklärer, umsonst? Fallen wir nun zurück in die Zeit vor dem Absolutismus? In jene Zeit, in der Wenige bestimmten, was alle anderen zu denken (und zu tun) hatten? In die Zeit der Inquisition und der mittelalterlichen Hexenprozesse? Moraliker sind auch Politiker. Das sind keine weltvergessenen Philosophen im stillen Kämmerlein. Das sollten wir nicht vergessen.

Braucht heute deshalb schon Mut, wer in der Öffentlichkeit Immanuel Kant («Ein Mann ist leicht zu erforschen. Eine Frau verrät ihr Geheimnis nicht.») lesen will? Nein, nicht in China oder Russland, in der Schweiz oder in Deutschland. Weit davon entfernt sind wir leider nicht mehr.

Eugen Gomringers (*1925) Schicksal wurde in unserem Land kaum wahrgenommen, obwohl er eigentlich ein Schweizer ist, der an der Universität Bern studiert hat. Der Begründer der Konkreten Poesie und einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts wurde mit diversen Preisen geehrt. Inzwischen hat man eines seiner Gedichte an der Fassade einer Deutschen Hochschule abgekratzt. Moralikerinnen taxierten ihn als «Gaffer», fühlten sich sexuell belästigt oder litten deswegen (Zitat!) unter veritablen «Angstattacken».

Was stand da Schlimmes auf der Hochschulwand?

«Alleen

Alleen und Blumen

Blumen

Blumen und Frauen

Alleen

Alleen und Frauen

Alleen und Blumen und Frauen und

ein Bewunderer»

Auf das Autodafé der Inquisition (d.h. auf den Schuldspruch des Inquisitionsgerichts) folgt das Autodafé für die Kunst, die Bücherverbrennung. Wo liegt der Unterschied zwischen der Bücherverbrennung und dem politisch motivierten Abkratzen eines Kunstwerks von der Hochschulfassade?

Jeder Humanist, jeder liberale Denker muss sich gegen Menschen wehren, die solche Kunst verbieten. Die Kunstwerke verbieten, die nicht ihrem eindimensionalen Denkvermögen entsprechen. Es beginnt immer bei der Kunst: Das Verbot des freien Denkens, wofür es weder Toleranz noch Raum für Kompromisse gibt. Das Denken und das Sagen ebenso wie die Kunst sind frei ohne Wenn und Aber – oder eben nicht.

Die SRG und einige pseudoliberale, linke Medien geben diesen Moralikern gerne Raum und ihre Sympathien. Das ist unangebracht und dumm - und im Falle der SRG mehr als ärgerlich. Dass sich jedoch selbst Hochschulen und Universitäten (auch in der Schweiz) dienstbefliessen solchen Diktaten unterwerfen, ist bedenklich und beängstigend zugleich. Wer solches Tun lobt, outet sich als Teil dieser Bewegung hin zur Diktatur des Geistes, der unmittelbar auf dem Fuss die absolute Diktatur folgt.

Wie sagte doch Kant? «Es ist bequem, unmündig zu sein.» Wehren wir uns gegen diese, unsere «Bequemlichkeit» und damit gegen jene Kräfte, die uns zurück führen wollen in die vor-aufklärerische Unmündigkeit. Denn: «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.» Auch das schrieb Immanuel Kant.

 

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