Samstag, 10. April 2021

Ein (Beschaffungs-)Skandal mehr

Es gibt kein Land auf der Welt, das sich selber derart bewusst von ein paar Beamten schädigen lässt, wie die Schweiz. Die Rede ist vom öffentlichen Beschaffungswesen, das leider seit 1995 schrittweise vollends aus dem Ruder gelaufen ist. Das neuste Negativbeispiel gefällig? Da verfügt Solothurn mit der Firma Hess über den technisch innovativsten und den weltweit führenden Hersteller von Elektrobussen. Doch wohin geht der Millionenauftrag von RBS/BSU für neue Elektrobusse? Nach Schweden, zu einem Unternehmen mit wenig Erfahrung auf diesem Gebiet.

Die Scania-Busse hätten eben besser überzeugt, lautet die lapidare Begründung der zuständigen BSU/RBS-Beamten (sorry: wer in einem Staatsunternehmen arbeitet, ist in meinen Augen mindestens teilweise «beamtet»). Da der BSU-Verwaltungsrat eine solche Beschaffung «absegnen» muss, wird er ebenfalls mitverantwortlich für das, was hier wohl das Gegenteil einer guten Submission genannt werden muss.

Was hat denn die Jury so überzeugt? Etwa das Viele Schwarz der Scania-Busse? Die werden damit schnell heiss im Sommer und brauchen mehr Energie für die Kühlung. Klingt nicht besonders positiv, weder aus ökologischer noch aus ökonomischer Sicht. Aber vielleicht hat die Jury ja nur die Optik beurteilt? Zum Unterhalt: Ersatzteile müssen künftig aus Polen herangekarrt werden. Dort werden sie zwar billiger produziert als in Bellach. Aber was ist mit den ökonomischen und ökologischen (und in beiden Fällen nicht kostendeckenden) Transportkosten? Was ist zudem mit den dadurch verursachten längeren Standzeiten, den Wartezeiten, bis der Bus wieder in Betrieb gehen kann? Und wie wurde die Frage der Ökologie beim Herstellungsprozess gewertet?

Wieso haben soeben die Stadt Winterthur, die australische Stadt Brisbane u.v.a. ebendiese – nach Meinung der Solothurner «ungenügenden» – Hess-Busse bestellt? Haben die dortigen Beschaffungsgremien etwa keine Ahnung von der Sache? Und was wissen eigentlich die Mitglieder des Solothurner Gremiums, das für diese Submission zuständig war, von Elektro-Bus-Technik? Können sie die Qualität der Technik, ihre Dauerhaftigkeit und die daraus resultierenden Betriebs- und Unterhaltskosten kompetent beurteilen? Es ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Entscheider keine Fachleute sind auf diesem Gebiet – es gibt davon in der Schweiz auch nur sehr wenige, weil das Gebiet noch neu ist.

Aber die Schweiz kann sich wieder einmal brüsten, das Beschaffungsrecht übereifrig und buchstabengetreu (oder einfach: dumm) einzuhalten: Die neuen Busse für Solothurn werden in Polen gefertigt, kosten wohl etwas weniger – haben aber sicherlich nicht die gleiche Qualität wie jene von Hess. Es wird zwar kein Autoliebhaber ein indisches Auto kaufen und meinen, es biete in allen Teilen die gleiche Qualität wie ein BMW. Bei der öffentlichen Beschaffung in der Schweiz glauben das die zuständigen Beamten aber noch immer. Und wenn die Sache dann in die Hosen geht – auch dafür gibt es nur zu viele Beispiele – ist ja sowieso stets der Lieferant und nicht der Beschaffer schuld…

Was hier passiert, ist jedoch ein Skandal. Mit Steuergeldern wird absolut leichtfertig (und wohl auch inkompetent) umgegangen – ausgerechnet in einer Zeit, in der in den Kassen der öffentlichen Verkehrsbetriebe gähnende Leere herrscht. Arbeitsplätze werden so von Solothurn nach Polen ausgelagert. Steuergelder werden ins Ausland verfrachtet. Und am Ende lacht die Welt über uns und sich ins Fäustchen. 

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