Mittwoch, 3. März 2021

Freie Fahrt in die Sackgasse

Wir leben in Zeiten, in denen das Wort «paradox» so oft und derart zutreffend benutzt wird, dass die Historiker vielleicht einmal von diesen Jahren als den «Jahren der Paradoxie» sprechen werden. Manches, was bisher galt, ist weggewischt worden. Mancher Politiker sieht sich mit Fragen konfrontiert, auf die er keine Antwort weiss, weil seine bisherigen Denkschemata versagen. Lob dem, der in dieser Lage nicht hohle Phrasen drescht und Sinnfreies von sich gibt, anstatt zur eigenen Überforderung zu stehen und offen zu sein für neues Denken.

Ein Blick auf die aktuelle Verkehrspolitik. Seit Jahrzehnten gilt dort die Devise: Weg vom Privat- und hin zum Öffentlichen Verkehr (ÖV). Die Grünen würden am liebsten das Auto verbieten. Die linksgrünen Regierungen in Städten wie Zürich und Bern machen vor, was den Autofahrern noch «blüht». Deren Image liegt dort aktuell nur unwesentlich über jenem von Pelzträgerinnen.

Der Bundesrat verordnete vor bald einem Jahr Homeoffice und empfahl mehrmals und dringend, zu Hause zu bleiben und den ÖV wenn immer möglich zu meiden. Grüne Träumer verlangten dazu offen, künftig müssten eben der Arbeits- und der Wohnort mindestens fast identisch sein. Nun zeigen sich die Folgen dieses nur bedingt freiwilligen Verhaltens: Landauf und -ab klaffen Riesenlöcher in den Kassen der ÖV-Betriebe. Manchen droht schon ganz direkt die Liquidität auszugehen.

Wer als Pendler soeben wieder aufs Auto umgestiegen ist, wird jedoch so schnell nicht wieder zurück wechseln. Erneut geht hier die «Arbeit» von vorne los. Blöd nur, dass der ÖV in den nächsten Jahren seine Kosten enorm senken muss. Da bleibt wenig Raum für neue und attraktive Beförderungsmittel und noch dichtere und damit attraktivere Fahrpläne. Ausserdem werden die Unternehmen nicht darum herumkommen, die Preise zu erhöhen. Das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Nachfrage nach Diesel und Benzin zurückgehen wird (Elektroauto-Boom), was deren Preise senken wird. Mittelklasse-Elektroautos kosten zudem pro Fahrkilometer deutlich weniger als alte Benziner oder Diesler. Und als «Dreckschleudern» wird man sie auch nicht mehr bezeichnen können. Der ÖV in der Schweiz könnte also in eine Krise rutschen, wie wir sie noch nie gesehen haben.

Und plötzlich wird sich die Frage stellen, ob wir uns angesichts der jährlichen Milliardenkosten ein solch riesiges «Verkehrskonstrukt» wie unseren ÖV noch leisten können und wollen. Grüne Antiauto-Politik hin oder her. Vielleicht muss dann auch die eine oder andere grüne Politikerin erkennen, dass die Coronakrise die bisherige eindimensionale Anti-Auto-Verkehrspolitik als Einbahnstrasse entlarvt hat, die nicht zum Ziel, sondern bloss in die Sackgasse führt. Und dass stattdessen eine neue Verkehrspolitik nötig ist, die nicht in den Denkmustern der alten 68er Generation gefangen ist, sondern im Gegenteil die technischen Errungenschaften offen und offensiv nutzt und auf diese Weise neue Modelle entwerfen und realisieren kann. 

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