Es begann schon beim Titel der Solothurner Zeitung: «Noch einmal Grund zur Freude» – und es setzte sich fort mit einem Zitat des Finanzdirektors. Die Regierung sei «alles in allem erfreut über den Abschluss». Der Grund für diese Freude ist die Staatsrechnung 2020.
Der Steuerzahler fragt sich bei diesen Sätzen, ob denn die
Regierung (und der Journalist) nicht genau hingesehen hat oder ob sie nicht wahrhaben will, was sie
gesehen hat? Bei einem Gesamtaufwand von 2.3 Milliarden Franken (rund 8'300 Franken
pro Kopf der Wohnbevölkerung) resultierte ein Ertragsüberschuss von 59
Millionen oder rund 213 Franken pro Kopf. Immerhin kein Aufwandüberschuss, wie
er noch budgetiert worden war, mag sich mancher sagen.
Das Problem liegt aber nicht im Saldo, sondern in der Frage, weshalb denn die Kantonskasse besser dasteht als ursprünglich prognostiziert? Allein die Nationalbank SNB hat ihre Ausschüttung für das Jahr 2020 vervierfacht. Für den Kanton Solothurn hiess dies: 64 Millionen mehr Nationalbankgeld als im Jahr 2019. Aus dem Verkauf der Alpiq-Beteiligung flossen weitere 22 Millionen ausserordentlich in die Kantonskasse. Ohne diese speziellen Geldquellen wäre die Rechnung also deutlich rot statt schwarz ausgefallen.
Die Erträge des Kantons Solothurns speisen zum grössten Teil zwei Quellen: die Staatssteuern und die Bundesgelder, die sich aus dem eidg. Finanzausgleich und aus den Gewinnausschüttungen der SNB zusammensetzen. Wobei diese Gewinnausschüttungen relativ volatil sind. Im Jahr 2016 erhielt der Kanton Solothurn an Bundesanteilen 379 Millionen (1'370 pro Einwohner-Kopf), die Steuerpflichtigen trugen 861 Millionen zum Geldsegen bei. Die Bundesanteile sind seither auf 574 Millionen Franken gewachsen, also um 51.5%. Die Staatssteuern sanken leicht auf 851 Millionen im letzten Jahr.
Die Einnahmen aus diesen beiden, den wichtigsten Geldquellen für den Kanton, nahmen also innert vier Jahren um ganze 15% zu. Da müssen ja satte Rechnungsüberschüsse resultieren. Alles andere wäre völlig verantwortungslos. Diesbezüglich ist das Ergebnis also noch kein Grund zur Freude. Ein Grund zur Besorgnis ist jedoch, dass die Abhängigkeit von den Bundesanteilen (Finanzausgleich und SNB-Gewinne) in beängstigendem Mass zunimmt. Lautete das Verhältnis Staatssteuern zu Bundesanteilen 2016 noch 69 zu 31 Prozent, waren es im vergangenen Jahr bereits 60 zu 40 Prozent. Die Staatssteuern stagnieren, während die eidg. Unterstützung und dementsprechend die Abhängigkeit von dieser Geldquelle laufend stark zunimmt. Die Folge: ein laufend wachsendes Klumpenrisiko.
Statt sich zu freuen, sollte die Regierung also handeln. Und das rasch. Aber sie macht eher den Eindruck eines Arztes, der zum Zustand des Patienten, dessen Leben allein am Tropf hängt, meint: «Es geht ihm im Moment ganz gut.» Es gibt überhaupt keinen Grund das Sparpaket auf die lange Bank zu schieben, wie vom abtretenden Finanzdirektor angetönt. Noch warten nötige Steuersenkungen für die natürlichen Personen und noch warten die Folgen der Coronakrise auf die Staatskasse.
Und wer weiss schon, wann besagter «Tropf» plötzlich leer ist?