Manchmal dauert es etwas, bis die Schweizer Behörden und/oder Politikerinnen sich bewegen. Das hat nicht selten auch sein Gutes. In Krisenzeiten jedoch eher nicht.
Seit dem letzten Frühjahr ist es bekannt, im letzten Quartal
hat es sich wiederholt: mehr als die Hälfte – in manchen Kantonen sind es gar zwei
Drittel oder noch mehr – der Todesfälle gehen auf das Konto der Betagtenpflegeheime.
Das ist wohl auch der Hauptgrund, weshalb die Schweiz trotz an sich guter
Spitalversorgung derart viele Todesfälle zu verzeichnen hat.
Diese Woche endlich hat die Gesundheitskommission (SGK) des Nationalrates vom Bundesrat verlangt, Geld für Gratistests in Pflegeheimen bereit zu stellen. Nachdem der Bundesrat sehr lange damit gezögert hat, Schnelltests überhaupt zuzulassen, haben erst ganz wenige Heime damit begonnen, ihr Personal und die Besucher regelmässig einem Schnelltest zu unterziehen. Deshalb ist die Gefahr, sich als betagter Mensch mit Corona-Viren zu infizieren, um ein Vielfaches höher im Heim als zu Hause.
Und deshalb werden betagte Menschen in der Schweiz aktuell
wieder weggesperrt und meist von allen Kontakten mit ihren nächsten Familienangehörigen
isoliert. So sterben sie denn einsam im Heim – angesteckt nicht selten vom Personal,
das niemand testet. Das hören die Heimverantwortlichen zwar nicht gerne. Aber
wenn seit zwei Monaten niemand mehr die Heimbewohner besuchen darf und sie
trotzdem an Corona sterben, wer soll sie denn sonst angesteckt haben?
Dieses stille grosse Sterben ist für das Schweizer Gesundheitswesen
ein Riesendesaster. Zuerst nimmt man den Menschen jeden Lebensgrund und damit
jeden Lebenswillen, indem man sie alt, krank und häufig dement, wie sie sind, isoliert.
Und dann lässt man sie auch noch ohne ihre Liebsten einsam sterben. Wenn
offenkundig die Pflegeheime mit ihren Hygienemassnahmen die vielen Ansteckungen
nicht verhindern können, wäre wenigstens mit regelmässigen (z.B. zweimal wöchentlichen)
Tests die Not zu lindern. Einer begrenzten Anzahl Personen könnte so zumindest der
persönliche Kontakt mit den Betagten erlaubt werden, ohne ein überaus grosses
Risiko einzugehen.
Was die SGK des Nationalrates verlangt, kommt deshalb zwar äusserst spät, ist aber dringend nötig: «Spät kommt ihr, doch ihr kommt», um mit Schiller zu sprechen.
Die kantonale (Heim-)Politik wird aber nun sehr rasch mit einem neuen Problem konfrontiert sein: Die Heime sind halb leer. Erstens, weil sehr viele Bewohnerinnen in kurzer Zeit verstorben sind und zweitens, weil die Angehörigen vorläufig alle möglichen Anstrengungen unternehmen, damit ihre Liebsten nicht ins Heim gehen müssen. Ein Betagtenpflegeheim, das 10 oder mehr Prozent der Betten nicht belegt hat, fährt im Normalfall ein Defizit ein. Im Raum Bern-Solothurn wurden jedoch schon vor Corona zu viele Pflegebetten angeboten. Die Heime, vor allem im angrenzenden Kanton Bern, kämpften seit Jahren, seit dem grossen Spitex-Ausbau, um eine möglichst gute Belegung. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross, dass in den nächsten 2 bis 3 Jahren zahlreiche Pflegebetten leer stehen werden. Entweder entlassen die Institutionen dann Fachkräfte und legen ganze Bettenstationen still oder Heime schliessen definitiv. Verschwinden die Betten, könnten sie später schmerzlich vermisst werden, bleiben sie, kosten sie den Steuerzahler viel Geld. Das Gleiche lässt sich vom Fachpersonal sagen. Welches die bestmögliche Version sein wird, muss die kantonale Gesundheitspolitik rasch entscheiden: In vielen Heimen läuft der Kostenzähler bereits auf Hochtouren.
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