Wird unsere Zeit einmal als Epoche der Schönrednerei in die Geschichte eingehen? Das Potenzial dazu hätte sie. War der «zweite Sieger» anstelle des «Verlierers» vor Jahrzehnten noch humorvoll oder ironisch gemeint, so schaffen Politiker, PR-Profis und Medien heutzutage laufend neue «schöne» Begriffe, welche die harte Realität übertünchen oder davon ablenken sollen.
So wurden aus «Konkurrenten» in den 90er Jahren «Mitbewerber». Neuerdings sind es – noch «neutraler» formuliert – «Marktbegleiter». Wessen Intelligenzquotient etwas unter dem Durchschnitt liegt, der wurde früher schlicht und einfach als «dumm» bezeichnet. Später wurde daraus «etwas weniger intelligent» oder «lernschwach». Heute heisst das «aus bildungsfernen Schichten stammend» – womit auch gleich die «Schuld» für das eigene Unvermögen dem Schicksal und der Gesellschaft überantwortet wird.
Konsequenterweise gibt es in der Schule denn auch keine
Tests oder Prüfungen mehr, sondern «Potenzialmessungen».
Die Ungleichheit der Geschlechter – die in mancherlei Hinsicht sicherlich ungerecht war und teilweise noch immer ist – übertünchen manche mit dem grossen «i» («-Innen») oder dem «Gender-Stern». Andere kreieren Wortschöpfungen wie «Menschin», «Gästin» oder gar «Mitgliederinnen», dass jedem Linguisten die Haare zu Berge stehen.
Um den (tatsächlich vielerorts bedenklichen) Rassismus auszumerzen, werden Begriffe verboten, die seit Jahrhunderten gängig waren. «Neger» oder «Rothaut» sind nur zwei davon («Weisse» gehört offenbar nicht dazu). Aber auch «Schwarze», «Farbige» und viele andere Begriffe sind inzwischen verpönt oder tabu. Sie seien Ausdruck eines falschen Denkens, einer zu verurteilenden Geisteshaltung, wird als Grund genannt. Das stimmt wohl häufig auch und der Rassismus als solcher verdient nur eine klare Verurteilung.
Aber nützen diese linguistischen Korrekturen all diesen Anliegen? Oder werden hier nicht einfach potemkinsche Dörfer, schöne Kulissen aufgebaut, welche die wahre Realität verschleiern? Muss nicht stutzig machen, dass ausgerechnet Potentaten, Nationalisten und ideologisch oder religiös motivierte Weltverbesserer sich genau dieses Mittels seit Jahrhunderten bedienten und weiter bedienen?
Die Realität schön zu reden heisst nicht, die Realität
zu verändern. Im Gegenteil. Hier deckt die Sprache Probleme zu, die somit als deutlich
weniger störend empfunden werden können und auf diese Weise auch nicht
dringend gelöst oder bekämpft werden müssen.
Nur wer die Realität und die Probleme beim Namen nennt,
leistet letztlich einen Beitrag zu deren Lösung. Und: Von der Schönrednerei zu
den FakeNews ist es nur ein klitzekleiner Schritt.
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