Donnerstag, 12. November 2020

Wir werfen ein wichtiges Gut über Bord

Der Kanton Solothurn trennt seit dem Kulturkampf (1870-74) Kirche und Staat sehr konsequent. So erteilen etwa nicht die Lehrerinnen Religionsunterricht wie im Nachbarkanton Bern, sondern dieser findet ausserhalb des Lehrplans und Schulunterrichts statt, erteilt von der jeweiligen Landeskirche. Solothurn tut dies nicht aus Spass oder Zufall, sondern weil damit ein weitestgehend konfliktfreies und friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionsgemeinschaften gewährleistet werden kann. Dies immerhin seit mehr als 100 Jahren.

Dabei nahmen jedoch weder Staat noch Privatwirtschaft besondere Rücksicht auf die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz. Zum Beispiel fanden Schule und Arbeit bis vor kurzem flächendeckend auch am Samstag (dem jüdischen Sonntag) statt – und dass dies heute weitgehend nicht mehr der Fall ist, hat absolut keinen Zusammenhang mit dem Judentum. Seit der Islam in der Schweiz immer mehr Verbreitung findet, hat sich diese mindestens im Kanton Solothurn strikte Trennung zwischen Religion und Staat sehr stark geändert. Schulen und Kitas nehmen immer mehr Rücksicht auf Andersgläubige und ihre Wünsche bzw. Bedürfnisse, in diesem Fall praktisch ausschliesslich auf die Moslems.

Da werden denn auch bisher bei uns «heilige» (und über Jahrhunderte erkämpfte) Prinzipien wie die Gleichheit der Geschlechter plötzlich grosszügig hintangestellt.

Auf der anderen Seite haben die zwei grössten Schweizer Landeskirchen damit begonnen, sich immer stärker in politische Sachfragen einzumischen, die sie nicht direkt betreffen. Im Kulturkampf wurde seinerzeit den Katholiken der Mund «verbunden». Eine Einmischung der römisch-katholischen Kirche (d.h. «von Rom») in die Staatsführung oder gar in die Gesetzgebung sollte mit allen Mitteln verhindert werden. Der damaligen Politik war klar, dass eine solche Einmischung über kurz oder lang den religiösen Frieden in höchstem Masse gefährden würde. Und die Altvorderen hatten Recht: eine der wichtigsten Grundlagen für unser Wohlergehen stellte der Ende des 19. Jahrhunderts erreichte und über Generationen andauernde religiöse Frieden in unserem Land dar.

Allerdings sind wir nun drauf und dran, aus falsch verstandener Toleranz und kleinmütiger Nachsicht dieses damit erreichte – und teilweise auch sehr schmerzhaft erkämpfte – Gut ohne die geringste Gegenwehr zu verlieren. Denn wer sich gegen die aktuellen Entwicklungen wehrt, setzt sich (zu) rasch gewichtigen Vorwürfen wie Rassismus oder gar Verstössen gegen irgendwelche Ethik aus. Ein Blick in unser westliches Nachbarland würde dagegen genügen, um zu sehen, dass der religiöse Friede nicht «gottgegeben» ist, sondern dass er ein labiles und gerade deshalb besonders sorgfältig zu schützendes Gut darstellt.

 

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