«Die Reichsten sind trotz Corona noch reicher geworden.» So die Schlagzeile von SRF am vergangenen Freitag. Die Meldung stützte sich dabei – wie jedes Jahr – auf einen entsprechenden Beitrag der «Bilanz». Es fragt sich erst einmal, ob das Ringier-Magazin, das nicht eben für besonders seriöse Berichterstattung bekannt ist, für solche Schlagzeilen des Staatssenders überhaupt als unüberprüfte Quelle gerechtfertigt ist.
Dann stellt sich die Frage, ob diese Schlagzeile mehr ist als blosse Politpropaganda. Die Rede ist nämlich von 300 Personen oder Familien. Mit anderen Worten: Das sind gerade einmal 0.003 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Genauso gut könnte man die 300 dünnsten, dicksten, kleinsten oder grössten Einwohner für eine Schlagzeile missbrauchen wie: «Die Dünnen werden immer dünner.» oder: «Die Dicken werden immer dicker.» Oder: «Die Kleinen werden immer kleiner.» Und das liesse sich ebenfalls noch steigern mit dem völlig unnötigen und tendenziösen Boulevard-Zusatz: «Trotz Corona!»
Mal abgesehen von der schlechten journalistischen Leistung stellt sich die Frage, ob diese immer wieder auftauchenden Schlagzeilen über den Reichtum oder die Armut in ihrem Inhalt gerechtfertigt sind. Zahlreiche Wissenschaftler haben etwa die regelmässigen Armutszahlen der Caritas bereits mehrmals als das entlarvt, was sie sind: reine Interessen- bzw. Politpropaganda.
Selbst das Bundesamt für Statistik veröffentlicht regelmässig Schweizer Vermögenszahlen, die mindestens als höchst rudimentär bezeichnet werden müssen. Sie stützen sich nämlich auf die Steuererklärungen ab. Und dort werden je nach Kanton zum Beispiel privat genutzte Immobilien völlig anders bewertet. So ist jetzt schon absehbar, dass die Berner bei der nächsten Statistik überdurchschnittlich an Vermögen zulegen werden. Nicht in der Realität zwar – aber in der Statistik. Dies weil der Kanton Bern die Katasterschätzungen (also den Wert der Eigentumswohnung oder des Einfamilienhauses) massiv nach oben «korrigiert» hat. Das heisst also, eigentlich besitzen die Berner nicht mehr als vorher. Der Kanton bewertet jedoch den gleichen Besitz steuerlich viel höher. Damit müssen die Bernerinnen mehr Steuern bezahlen und werden so in der Realität am Ende weniger in der Tasche haben als vorher – aber die Statistik sagt, sie seien reicher.
Jede Statistik lässt sich bekanntlich für irgendwelche (partei-)politischen Interessen missbrauchen. Besonders, wenn die Berichterstattung derart oberflächlich, unpräzis und tendenziös daherkommt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen