Samstag, 24. Oktober 2020

Was die Einen dürfen ...

Überall sieht man sie: sie hängen an Gebäuden, aus den Fenstern, an Balkonen, an denkmalgeschützten Kirchen und Kirchtürmen, an Gartenzäunen, an Bäumen etc. Diese orangen Fetzen werben aber nicht etwa für die CVP, sondern für eine Volksinitiative der Juso. Weshalb die Kirchen ausgerechnet mit Jenen gemeinsame Sache machen, die alles Religiöse verachten und die Kirchen am liebsten abschaffen würden, sei hier mal als Frage stehen gelassen. Warum die Kirchen seit Jahrzehnten stillschweigend-dankbar das Geld von jenen Unternehmen entgegennehmen, deren Geschäftspraxis sie nun anprangern, ist ja schliesslich auch eine unbeantwortete Frage.

Seit Wochen schon fallen die orangen Kleintransparente ins Auge. Und der Durchschnittsbürger fragt sich ernsthaft, welche neue «Praxis» hier eingeführt oder zumindest fürs Erste mal flächendeckend toleriert wird. Für Wahlplakate bestehen ganze Listen von Verordnungsregelungen. Hauseigentümer und die öffentliche Hand regeln an sich klar, was wo rausgehängt werden darf und was nicht. So ist das Aufhängen von Wäsche an Sonn- und Feiertagen in vielen Gemeinden untersagt. Und das Plakatieren an Mehrfamilienhäusern ist es ebenso rigoros.

Selbst wenn ich an meinem eigenen Einfamilienhaus eine Werbung anbringen will – egal ob gegen bares Geld oder gratis – benötige ich dazu eine Baubewilligung. Auch dann, wenn ich für meine eigene Pizzeria oder meine Bar werben will. Selbst wenn ich mein Auto als fahrende Werbefläche nutzen will, redet das Strassenverkehrsamt mit. Ordnung muss schliesslich sein. Nicht aber im Fall der Unternehmensverantwortungsinitiative, über die wir Ende November abstimmen werden und deren wilde Plakate bzw. Planen bereits seit rund zwei Monaten rumhängen.

Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Nachbar hängt einen Fetzen aus dem Fenster, um für den Kaninchenzüchterverein zu werben? Oder er tapeziert den Balkon mit Werbebotschaften für den lokalen Musikverein – oder für den FC Bayern, für Servelats vom Grill, für sein Sportbike, für seinen PS-starken Sportwagen, für die Partei XY, gegen alle Rassisten, für alle Farbigen etc. etc. Stellen Sie sich einmal unsere Dörfer und Städte vor mit dieser «Hängerei».

Warum haben wir das alles – ein solches farbliches und inhaltliches Tohuwabohu – nicht schon lange? Weil Hunderte von Gesetzes- und Verordnungsartikel und eine Fülle an Reglementen genau das zum Schutze unserer Ortsbilder und eines friedlichen Zusammenlebens von uns Allen verbieten bzw. strikte regeln.

Nur in diesem Fall scheinen alle, die sonst bei der kleinsten Unregelmässigkeit sofort zur Stelle sind, sämtliche Augen zuzudrücken und konsequent wegzuschauen. Wenn künftig eine Partei die Wahlplakate zwei Monate zu früh raushängt, wird sie dann auch nicht (mehr) gebüsst? Ist das jetzt zur Nachahmung empfohlen oder gilt etwa in unserem Land, in unserem Kanton nicht für alle das gleiche Recht?

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