Mittwoch, 14. Oktober 2020

Vorwürfe und Suggestion anstelle von Fakten

Mantra-gleich haben es nach einem Beitrag der SRF-Rundschau die TV- und Radionachrichten unzählige Male wiederholt: Die Firma M (der Name tut hier nichts zur Sache) verlangt für die Sanierung des Lötschbergscheiteltunnels fast doppelt so viel wie sie ursprünglich offeriert hatte.

Suggeriert wird damit, dass die Firma M die BLS bzw. den Schweizer Steuerzahler übers Ohr gehauen oder mindestens ungehörig viel Geld verdient hat mit diesem Auftrag. Etwas nuancierter tönt es dann Stunden später in einem Interview von SRF mit dem BAV-Direktor Peter Füglistaler (warum eigentlich nicht mit dem BLS-Verantwortlichen oder mit der Firma M?). Der BAV-Direktor beteuert vorerst mal seine «Unschuld» an diesem Ereignis, indem er betont, sein Amt könne ja nicht alle Bauprojekte einzeln überwachen.

Dann wiederholt er, was bereits ein BLS-Bericht offenbart hat: «Fehler bei der Ausschreibung». Da habe «offenbar die Baufirma die besseren Bestimmungen im Vertrag als die BLS». Wie ist denn das nun zu verstehen, wenn die BLS grobe Fehler gemacht hat? Am Ende des Gesprächs nochmals ein Vorwurf an die Adresse der Firma M: Das sei eine «schlechte Offerte» gewesen. Aber bitte: Wenn die Ausschreibung fehlerhaft war, ist es denn nicht enorm schwierig zu offerieren und ist dann eine faire Beurteilung der Offerte aus der Ferne (das BAV war ja nicht direkt beteiligt; siehe oben) nicht so gut wie unmöglich?

Umso mehr als Füglistaler auch betont, dass der Kostenvoranschlag, wenn das Projekt «von Anfang an seriös aufgegleist» worden wäre, realistischerweise «eher in der Höhe von 150 als den 90 Millionen» gelegen hätte. Also was jetzt?

Die Sanierung eines Altbaus – der fast 15 Kilometer lange Lötschbergscheiteltunnel wurde 1913 eröffnet – ist immer mit tausend Unwägbarkeiten verbunden. Wer schon einmal ein altes Haus umbaute oder sanierte, weiss das mehr als genug. Nicht alles aus der grauen Vorzeit ist (richtig) dokumentiert. Laufend kommen neue Überraschungen ans Licht. Und unablässig stellt sich die Frage, was alles modernisiert werden soll und muss. Dabei bleibt die Unterscheidung zwischen dem heute Nötigen und dem mittelfristig wirtschaftlich Sinnvollen eine Gratwanderung. Wenn dann wie in diesem Fall auch noch die Ausschreibung mangelhaft ist, wird ein zielgenauer Abschluss des Projektes absolut unmöglich. 

Es spricht weder für die Rundschau noch den BAV-Direktor, wenn geurteilt wird, bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen. Befremdend wirkt jedoch, wenn der BAV-Direktor bereits vorschnell suggeriert, dass das ausführende Unternehmen eine (Mit-)Schuld trifft und dies nicht einmal mit Fakten begründet. Es kann am Ende nicht darum gehen, dass ein Projekt der öffentlichen Hand dann gut gelaufen ist, wenn die Privatwirtschaft anstelle der öffentlichen Hand – trotz Fehler der Letzteren – einen Schuh voll (Verlust) herausgezogen hat. Eine gute und damit für alle Seiten nachhaltig erfolgreiche Partnerschaft zwischen Bund und Wirtschaft sieht jedenfalls anders aus.

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