Jetzt geht es wieder los. Wie jeden Herbst wird heiss über die Frage diskutiert, wo der richtige Zinssatz für die Mindestverzinsung der 2. Säule liegen soll. Kaum äussert sich die BVG-Kommission des Bundes, folgen in ihrem Schlepptau die Parteien und viele Sozialpartner. Und man fragt sich, weshalb denn die Festsetzung dieses Zinssatzes ein derartiges Politikum sei, das jährlich grosse Aufwendungen und damit auch hohe Kosten verursacht.
Bundesrat und Parlament trauten seinerzeit im «Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassen- und Invalidenvorsorge» (BVG) den Pensionskassen und dem Wettbewerb unter ihnen nicht. Der Bundesrat erhielt die Kompetenz, jährlich einen Mindestsatz festzulegen, mit dem unser Zwangsgespartes verzinst werden sollte. Solange dieser Satz bei 4 Prozent lag, kümmerte dies kein Mensch. Dies, obwohl gerade in der zweiten Hälfte der 80-er Jahre (das BVG trat 1985 in Kraft) die Jahresteuerung deutlich über 4% lag, was nichts anderes hiess, als dass die sauer verdienten Franken auf dem BVG-Konto jährlich an Wert verloren.
Inzwischen ist die Jahresteuerung häufig negativ oder sie liegt nur marginal über der Nullgrenze. Damit liegt die Realverzinsung der Vorsorgegelder meilenweit über jener der 80-er Jahre, als kein Hahn danach krähte. Denn auf dem Papier nahmen die Beträge ja zu – bloss in der Realität nahmen sie dummerweise ab…
Alle eigenständigen Pensionskassen sind heute Stiftungen. Sie stehen untereinander in einem Konkurrenzverhältnis. Jede ist darum bemüht, sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer möglichst optimal zu betreuen. Jede Kasse versucht jährlich, die Gelder ihrer Versicherten möglichst über dem Minimalsatz zu verzinsen. Schliesslich gibt es Ratings und die Sozialpartner wechseln die Kasse, wenn die bisherige nicht mehr konkurrenzfähig ist.
Nun leben wir in einer Zeit, in der die Europäische Zentralbank
massenweise Geld auf den Markt schmeisst. Damit zwingt sie unsere Nationalbank dazu,
Negativzinsen zu verlangen, um unsere Exportwirtschaft und unseren Tourismus zu
stützen und damit Zehntausende von Arbeitsplätzen in unserem Land zu (er-)halten.
Die USA, die Japaner und viele andere Staaten lassen ebenfalls Rekordmengen an Geld
drucken. Die Coronakrise hat diese Geldschwemme nochmals erhöht. Als Folge
davon ist Geld extrem billig. Das heisst, die Zinsen sind rekord-tief. Das ist
gut für alle staatlichen und nichtstaatlichen Schuldner (und von denen gibt es
weltweit eben viel mehr als von den «Sparern») und schlecht für alle Sparer
oder Anleger. Die Pensionskassen können sich dabei nicht frei auf dem
Anlagemarkt bewegen. Das BVG hat sie in ein sehr enges Korsett geschnürt, das unsere
Gelder möglichst gut vor Verlust schützen soll. Je sicherer aber eine Anlage,
umso weniger Rendite wirft sie leider ab.
Das Gesetz und die Realitäten (die der Gesetzgeber anfangs der 80-er Jahre so niemals vorhergesehen hat) zwingen den Pensionskassen deshalb tiefe Renditen auf. Dabei mutet es absurd an, wenn der Gesetzgeber, vertreten durch den Bundesrat, den Kassen eine Mindestrendite vorschreibt. Das ist eine rein politische Handlung, die höchstens am Rande etwas mit der Realität zu tun hat. Würde man den Zinssatz einfach den Kassen und dem Wettbewerb unter ihnen überlassen, würde sich an der Realität kaum etwas ändern. Bloss die Politiker hätten einen Sturm im Wasserglas weniger auszutragen.
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