Kürzlich wurde ein Unternehmer von einem Richter (Obergericht Kanton Zürich) dazu gezwungen, seiner ehemaligen Angestellten trotz überdeutlichem Fehlverhalten und schlechter Arbeitsleistung ein gutes Arbeitszeugnis auszustellen. Die Arbeitnehmerin wird damit nun zufrieden sein. Dass sie hiermit ein bisher vielbeachtetes und wichtiges Instrument ad absurdum geführt und im Endeffekt recht eigentlich vernichtet hat, wird ihr egal sein – falls es sie überhaupt interessiert.
Das Arbeitszeugnis gab bisher Auskunft über eine gute oder sehr gute Kompetenz und Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers. Bei Anstellungen gehörte es seit je zu den wichtigsten Kriterien. In den vergangenen Jahrzehnten wurde sein Wert jedoch immer mehr ausgehöhlt. Negative Aussagen waren unzulässig und versteckte Codes verpönt bis illegal. Damit sank seine Aussagekraft und auf diese Weise sein Wert für den Arbeitnehmer wie für die Arbeitgeberin kontinuierlich. Bis zu jenem Tiefststand, den es nun erreicht hat.
Zahlreiche Firmen sind inzwischen dazu übergegangen, die Stellenbewerberinnen nach allen Regeln der Kunst zu testen. Anstellungsprozesse ähneln deshalb immer häufiger richtiggehenden Prüfungen, bei denen der Bewerber sich kaum einen Fehler oder eine Schwachstelle erlauben darf, wenn er den Job wirklich haben möchte. Damit ist die Frage, wie kompetent, sozialverträglich und fleissig ich bin, nicht mehr von meiner effektiven Leistung und meinem Auftreten über eine längere Zeit abhängig, sondern von meiner Tages- oder Stundenform.
Ehrlicherweise sollte man die Arbeitgeber nun davon entlasten ein Arbeitszeugnis ausstellen zu müssen. Denn seine Aussagekraft, die sowieso laufend geringer wurde, hat mit diesem Richterspruch gegen Null abgenommen. Wer wird dem, was hier auf dem Papier steht, noch Glauben schenken, wenn selbst grobe Verfehlungen und schlechteste Leistungen als ausgezeichnete Arbeit dargestellt werden müssen?
Die Arbeitnehmerin, deren persönliches Interesse das Obergericht mit seinem Urteil zu schützen meinte, hat so sich selbst und allen anderen Arbeitnehmern mehr als einen Bärendienst erwiesen. Was da nun so löblich auf dem Papier steht, ist nämlich rein gar nichts mehr wert. Fragt sich am Ende nur, wessen Interesse denn das Zürcher Obergericht schützen wollte? Sicher ist nur: Zurück bleiben allein Verlierer – und letztlich trifft das auch auf das Gericht zu.
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