Montag, 28. September 2020

Der jährliche Sturm im BVG-Wasserglas

Jetzt geht es wieder los. Wie jeden Herbst wird heiss über die Frage diskutiert, wo der richtige Zinssatz für die Mindestverzinsung der 2. Säule liegen soll. Kaum äussert sich die BVG-Kommission des Bundes, folgen in ihrem Schlepptau die Parteien und viele Sozialpartner. Und man fragt sich, weshalb denn die Festsetzung dieses Zinssatzes ein derartiges Politikum sei, das jährlich grosse Aufwendungen und damit auch hohe Kosten verursacht.

Bundesrat und Parlament trauten seinerzeit im «Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassen- und Invalidenvorsorge» (BVG) den Pensionskassen und dem Wettbewerb unter ihnen nicht. Der Bundesrat erhielt die Kompetenz, jährlich einen Mindestsatz festzulegen, mit dem unser Zwangsgespartes verzinst werden sollte. Solange dieser Satz bei 4 Prozent lag, kümmerte dies kein Mensch. Dies, obwohl gerade in der zweiten Hälfte der 80-er Jahre (das BVG trat 1985 in Kraft) die Jahresteuerung deutlich über 4% lag, was nichts anderes hiess, als dass die sauer verdienten Franken auf dem BVG-Konto jährlich an Wert verloren.

Inzwischen ist die Jahresteuerung häufig negativ oder sie liegt nur marginal über der Nullgrenze. Damit liegt die Realverzinsung der Vorsorgegelder meilenweit über jener der 80-er Jahre, als kein Hahn danach krähte. Denn auf dem Papier nahmen die Beträge ja zu – bloss in der Realität nahmen sie dummerweise ab…

Alle eigenständigen Pensionskassen sind heute Stiftungen. Sie stehen untereinander in einem Konkurrenzverhältnis. Jede ist darum bemüht, sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer möglichst optimal zu betreuen. Jede Kasse versucht jährlich, die Gelder ihrer Versicherten möglichst über dem Minimalsatz zu verzinsen. Schliesslich gibt es Ratings und die Sozialpartner wechseln die Kasse, wenn die bisherige nicht mehr konkurrenzfähig ist.

Nun leben wir in einer Zeit, in der die Europäische Zentralbank massenweise Geld auf den Markt schmeisst. Damit zwingt sie unsere Nationalbank dazu, Negativzinsen zu verlangen, um unsere Exportwirtschaft und unseren Tourismus zu stützen und damit Zehntausende von Arbeitsplätzen in unserem Land zu (er-)halten. Die USA, die Japaner und viele andere Staaten lassen ebenfalls Rekordmengen an Geld drucken. Die Coronakrise hat diese Geldschwemme nochmals erhöht. Als Folge davon ist Geld extrem billig. Das heisst, die Zinsen sind rekord-tief. Das ist gut für alle staatlichen und nichtstaatlichen Schuldner (und von denen gibt es weltweit eben viel mehr als von den «Sparern») und schlecht für alle Sparer oder Anleger. Die Pensionskassen können sich dabei nicht frei auf dem Anlagemarkt bewegen. Das BVG hat sie in ein sehr enges Korsett geschnürt, das unsere Gelder möglichst gut vor Verlust schützen soll. Je sicherer aber eine Anlage, umso weniger Rendite wirft sie leider ab.

Das Gesetz und die Realitäten (die der Gesetzgeber anfangs der 80-er Jahre so niemals vorhergesehen hat) zwingen den Pensionskassen deshalb tiefe Renditen auf. Dabei mutet es absurd an, wenn der Gesetzgeber, vertreten durch den Bundesrat, den Kassen eine Mindestrendite vorschreibt. Das ist eine rein politische Handlung, die höchstens am Rande etwas mit der Realität zu tun hat. Würde man den Zinssatz einfach den Kassen und dem Wettbewerb unter ihnen überlassen, würde sich an der Realität kaum etwas ändern. Bloss die Politiker hätten einen Sturm im Wasserglas weniger auszutragen.

Donnerstag, 24. September 2020

Gefährliche Sandkastenspiele mit Steuergelder-Netz

In den 90er und den Nullerjahren herrschte die Meinung vor, die öffentlich-rechtlichen Unternehmen sollten verselbständigt werden und sich frei am Markt bewegen können. Damit könnten dann einerseits Gelder eingespart (bei wem eigentlich?) und Steuereinnahmen erhöht werden. Dies umso mehr, als die neu teilverselbständigten Unternehmen sich auch in anderen Märkten bewegen und so gesamthaft erfolgreich(er) tätig sein könnten. Die Linke vertrat sowieso stets die Meinung, eine wirtschaftliche Leistung könne niemand günstiger und besser erbringen als der Staat. Und in diesem Fall glaubten auch viele Bürgerlichen an das Unmögliche.

Der Rüstungsbetrieb des Bundes zum Beispiel wurde so zur Ruag, aus der PTT wurden u.a. die Post und die Swisscom. Zwar sanken die Telefonkosten in der Schweiz – aber nicht wegen der Verselbständigung der Swisscom, sondern wegen der Marktöffnung.

Auch die Swissair-Leitung versuchte sich damals auf dem Weltmarkt – und stürzte bekanntlich mit Getöse ab. Zum (Milliarden-)Schaden der öffentlichen Hand und der Steuerzahler. Die RUAG engagierte sich bei Dornier und kaufte die Rechte für den Bau des Flugzeugs Do 228. Seither wurde in den Vogel enorm viel Geld investiert, aber flügge wurde er nie. Der Flieger hatte Qualitätsprobleme und beim Verkauf war die RUAG auch nicht erfolgreich. Die Swisscom abenteuerte erfolglos in Italien herum und musste Riesenbeträge abschreiben.

Diverse Stromkonzerne setzen seit ein paar Jahren auf die gleiche (Hunter-)Strategie: Kaufe Firmen, die in einem anderen Markt tätig sind und verdiene damit Geld, wenn das Kerngeschäft nicht mehr genug abwirft. Auch diese Abenteuer, bei denen etwa die bernische BKW besonders kauffreudig ist, wird in einem Desaster enden. Diese Unternehmen haben keine Wettbewerbskultur, weil sie Jahrzehnte in einem Monopolmarkt tätig waren oder noch sind. Zudem ist ihr Overhead viel zu gross und ihre Führung – mit zahlreichen Politikdelegierten und Quoten-VRs – in den neuen Märkten nicht kompetent und viel zu schwerfällig.

Sie werden alle über kurz oder lang scheitern – und die Steuerzahler werden die Zeche bezahlen müssen. Und das gleich mehrfach, weil die Unternehmen heute vielfach in Märkten «wildern», in denen sie als öffentlich-rechtliche (Monopol)Betriebe eigentlich nichts zu suchen haben. Diese Märkte leiden aber unter der halbstaatlichen Einmischung; Gewinne brechen ein, Arbeitsplätze gehen verloren.

Noch schaut die Politik dem wüsten Treiben tatenlos zu. Immerhin fallen ja auch gut dotierte oder wenigstens prestigeträchtige VR-Mandate für Regierungsräte und Spitzenbeamte an. Die Frage ist nur, wie lange die Steuerzahler noch bereit sind diese millionenteuren «Sandkasten-Übungen» zu finanzieren.

Sonntag, 20. September 2020

Konzern- statt Selbstverantwortung?

An vielen Hauswänden und Balkonen hängen sie: die orangen Transparente der Befürworter der Konzernverantwortungs-Initiative. Die Kirchen finanzieren sogar mit Steuergeldern unlegitimiert einen politischen Abstimmungskampf. Dass (die bösen internationalen Gross-)Konzerne ihre Verantwortung wahrnehmen, wer könnte hier dagegen sein?

Aber das ist weniger als die halbe Wahrheit, denn:

-        Die Initiative spricht nicht von den «Konzernen», sondern von den «Unternehmen». Damit sind alle betroffen. Auch die Schweizer KMU, die Familien- und die Gewerbebetriebe.

-        Wer weiss im Übrigen schon, was überhaupt ein Konzern ist? Nach schweizerischem Recht bildet eine kleine Gruppe von zwei oder drei KMU, die einer kleinen Familienholding angehören, bereits einen Konzern.

-        Jede Schweizer Konsumentin, die "ennet der Grenze" im Ausland einkauft, würde dieses Gesetz umgehen. Jeder Konsument, der per Internet ausländische Produkte einkauft, würde dieses Gesetz umgehen (können). Noch schneller würden damit in der Schweiz noch mehr Läden verschwinden.

-        Die Schweiz würde auf diese Weise versuchen, ihre Gesetze zu «exportieren». Dies, obwohl sich gerade unser Land sehr dagegen wehrt, wenn andere Staaten oder wenn Diktatoren ihr Recht in unserem Land durchsetzen wollen. Die kleine Schweiz wird dies allerdings mit noch weniger Erfolg umsetzen können, als umgekehrt die fremden Staaten bei uns.

-        Schweizer, die im Ausland Ferien machen, werden sich um das Anliegen der Initianten so wenig kümmern (können) wie dies die ausländischen Staaten tun.

-        Die Schweizer Wirtschaft wird damit den Schaden haben und den Spott der ausländischen Mitwettbewerber, die als Lieferanten noch billiger, weil mit viel weniger Auflagen, in die Schweiz exportieren können. Sie werden sich über ein schönes Wachstum und happige Gewinne freuen, während bei uns die Arbeitsplätze verloren gehen, unsere Wirtschaft darben wird und die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen, Gemeinden und Kirchen (sic!) wegbrechen. 

Es käme niemandem in den Sinn, von allen Konsumenten per Gesetz zu verlangen, sie dürften nur noch Bioware und ausschliesslich Ökoprodukte einkaufen. Und ein T-Shirt für fünf oder zehn Franken sei per se unethisch. Hier muss der Appell an die Vernunft und die Verantwortung der Konsumentinnen reichen. Beim Unternehmen hingegen, das mir monatlich mein Salär auf das Bankkonto überweist, soll es allein der Gesetzgeber richten. Statt meine Selbstverantwortung wahrzunehmen, verlange ich von den anderen, dass sie die ihre wahrnehmen. Ein durchaus christlicher Gedanke?

 

Mittwoch, 16. September 2020

Vernünftige Rücksichtnahme - oder doch lieber neue Verbote?

Einen Wundersommer haben die Bergregionen heuer vermeldet. Dank Corona haben die Schweizer für einmal der Schweiz ferienhalber nicht den Rücken gekehrt, sondern das eigene Land erkundet. Einige Milliarden (sic!) Franken kamen damit unserer coronageschädigten Wirtschaft zugute. Eine willkommene Konjunkturspritze für unsere Volkswirtschaft.

Dass aber nicht alle Mitbürgerinnen sich über die Zu-Hause-Gebliebenen freuen konnten, lag am Verhalten von ein paar Wenigen. Sogenannte «Autoposer» liessen ihre Motoren durch die sonst in Sommerruhe dösenden Dörfer heulen. Töffs knatterten die Täler rauf und runter. Und das gerne zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Der Blogger fragt sich, ob die Autoposer noch nie etwas von den Halbstarken-Filmen aus den 50er Jahren – mit und ohne James Dean – gehört haben. Was sie machen, ist weder neu noch originell und auch nicht «erwachsen», sondern schlicht ein Zeichen geistiger Unbedarftheit. Etwas (elterliche oder sonstwie pädagogische) Aufklärung täte hier wohl Not.

Anders die Motorradfahrer. Sie geniessen das Gefühl von Fahrtwind und Freiheit. Nur scheinen sie vergessen zu haben, dass ein paar Wenige von Ihnen kein Problem sind – auch nicht für stille Jura- und Alpentäler und deren Bewohner. Wenn aber täglich gleich Hunderte von Ihnen durch die Dörfer und Täler knattern, wird es für die dortigen Bewohner wie für die dort Erholung Suchenden zum grossen Ärgernis. Im letzten Jahr waren in der Schweiz 750'000 Motorräder unterwegs. Das sind 25% mehr als 2005. In diesem Jahr ist laut den Strassenverkehrsämtern nochmals eine deutliche Zunahme zu verzeichnen. Und nicht Wenige von ihnen geben sich mit dem üblichen Brummen der Motoren nicht zufrieden. Sie lassen noch Zusatzteile einbauen, die den Lärm massiv verstärken.

Bereits wird deshalb sehr laut nach neuen Gesetzen und Einschränkungen gerufen. Im Bundeshaus wurden entsprechende Vorstösse eingereicht. Wenn Autoposer und Töfffahrer ihr Hobby auch in Zukunft ausüben wollen, werden sie nicht darum herumkommen, ihr Verhalten rasch und konsequent zu ändern. Und damit meine ich nicht jene dumme Gross(lärm)demo auf dem Gotthard. Wessen Auspuff lärmt, der soll vielmehr von den Kollegen zurechtgewiesen und nicht bewundert werden. Garagisten sollen auf den Einbau lärmender Zusatzteile verzichten. Sonst werden bald alle gezwungenermassen mit leise summenden Elektromotörchen über die Alpen- und Jurapässe surren müssen. Falls sie das dann noch lustig finden.

Samstag, 12. September 2020

Das alte System neu denken

 

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB beklagen sich seit Jahren darüber, dass ihre durchschnittliche Auslastung tief liegt. Im Regionalverkehr sind im Durchschnitt nicht mal ein Viertel aller Plätze belegt (22%), beim Fernverkehr sind es etwas weniger als ein Drittel (31%).

Wenn Sie sich nun vor Augen führen, wie voll die Züge in den Stosszeiten sind (Corona-Zeiten selbstverständlich ausgenommen), wird auch klar, welch gähnende Leere zu den übrigen Zeiten herrscht. Diese leeren Züge müssen aber verkehren. Das erfordert neben dem Fahrplan auch das System. Denn nur wenn der Zug von A nach B fährt, kann er schliesslich auch wieder von B nach A zurückfahren.

SBB und Politik fordern deshalb immer lauter Massnahmen. Die Kunden sollen gezwungen werden, auch zu anderen als nur zu Stosszeiten den öffentlichen Verkehr zu benützen. Die Freiheit der Bürgerinnen soll also zu Gunsten des Systems eingeschränkt werden. Leuchtet ja auch ein. Wenn der Meier nicht mit dem Müller um 07.30 Uhr zur Arbeit fahren würde, sondern der Müller um 07.30 und der Meier um 09.00 h, hätten beide mehr Platz im ÖV. 

Die Frage würde sich aber eigentlich anders stellen: Soll im 21. Jahrhundert der Bürger an ein System angepasst werden, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammt? Oder sollte nicht vielmehr das alte System neu gedacht werden? Zugegeben: das wäre viel aufwändiger und schwieriger als die Freiheit des Einzelnen einzuschränken. Aber wäre es nicht trotz allem richtiger?

Dienstag, 8. September 2020

Verurteilung statt Aufklärung

 

Die Stadt Bern diskutiert darüber, ob ein altes Wandbild in einem Schulhaus noch zeitgemäss sei. Andernorts wird über Denkmäler gestritten und über historische Persönlichkeiten, die vom Sockel gestossen werden sollen. Was heisst das? Was soll das? Sind wir gescheiter als unsere Vorväter? Sind wir moralisch besser als sie?

Wenn im 18. oder 19. Jahrhundert (oder meinetwegen ein paar hundert Jahre früher) jemand auf einen Sockel gehoben wurde, hiess das: Diese Person oder Persönlichkeit hat etwas Gutes und Nützliches getan für die damalige Gesellschaft. Columbus zum Beispiel hatte zufällig Amerika entdeckt, weil er einen schnelleren Weg nach Indien suchte. Aber weil er Amerika entdeckt hatte, hat er wie viele Abenteurer vor ihm, die neue Inseln und Länder entdeckten, auch den Grundstein für schlimme Verbrechen an Völkern und ihren Kulturen gelegt. Müssen also alle Denkmäler von Entdeckern gestürzt werden? Ohne sie kein Kolonialismus, wegen ihnen Zehntausende von Toten durch eingeschleppte Krankheiten und kriegerische Auseinandersetzungen.

Oder Karl der Grosse, einer der Begründer des heutigen Europas. Seinen Lebensweg begleiten Schlachten und dementsprechend viele Plünderungen, Verletzte, Krüppel und Tote, Vergewaltigte und Verhungerte. Müssen wir deswegen alles, was mit ihm jemals in irgendeiner Verbindung stand, eliminieren?

Wäre es jedoch nicht die Aufgabe der Pädagogen, unvoreingenommen über die Geschichte und ihre Heldinnen und Unhelden zu dozieren? Die jungen Menschen darüber aufzuklären, was unsere Vorfahren Positives und Negatives für die Menschheit geleistet haben und der Frage nachzugehen, weshalb die damalige Zeit sie dafür geehrt (oder gevierteilt) hat? Warum dozieren die Pädagogen nicht darüber, dass jede Epoche das, was positiv und das, was negativ war, aufgrund ihres Wissenstandes und aufgrund der aktuellen Situation und der (Moral-)Vorstellungen der Menschen anders beurteilt?

Stattdessen ereifern sich rote und grüne Politiker und Pädagogen, als seien sie alle Bussprediger wie Girolamo Savonarola (1452-98) höchstpersönlich. Wer für sich die Absolutheit der Wahrheit und damit der einzig richtigen Moral beansprucht, wer die Leistungen Anderer in Gut und Böse einteilt, ist selber wohl nicht besser als jene, die er z.B. wegen Rassismus verurteilt. Auch er teilt die Menschheit, auch er verurteilt Menschen. Und auch er ruft dazu auf, die gemäss seinem Kriterienkatalog «Bösen» zu verfolgen und zu vernichten.

Echte aufklärerische Toleranz sieht anders aus. 

Und für Alle, denen dieser Gedanke jetzt neu scheint: Das Zeitalter der Aufklärung begann zirka in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Es scheint leider nach rund 270 Jahren endgültig vorbei und/oder vergessen zu sein.

Freitag, 4. September 2020

Zahlenmanipulationen ersetzen keine Lösungen

Bundesrat Alain Berset (SP) scheint sich für nichts zu schade zu sein, wenn es darum geht, der Ideologie seiner Partei zu folgen. Seit Jahren warten wir vergeblich auf zukunfts- und konsensfähige Lösungen für die AHV und die 2. Säule. Geliefert wurde vom Departement Berset bis heute nichts Brauchbares, nichts Mehrheitsfähiges. Statt mühevoll nach einer konsensfähigen Lösung zu suchen, hat das Departement flugs eigene Konjunkturprognosen erstellt. «Zufälligerweise» (aber nicht überraschend) zeigen diese ein recht rosiges Bild für die Zukunft der AHV und relativieren so den Handlungsbedarf.

Da bezahlen wir also mit unserem Portemonnaie ein ausgewiesenes und nicht zu knapp dotiertes Fachteam für Konjunkturprognosen im Seco. Doch ein paar Linke um Berset finden, das könnten sie besser und kreieren flugs eigene Zahlen. Wie sie diese erhoben oder errechnet haben, bleibt im Dunkeln. Wahrscheinlich mit Hilfe des Parteibuches.

Nicht nur, dass die Seco-Prognosen weitherum für ihre Zuverlässigkeit be- und anerkannt sind. Es stellt sich hier zuvorderst die grundsätzliche Frage, ob jedes Departement oder gar jedes Bundesamt für seine Arbeit eigene Wirtschaftszahlen kreieren soll und darf. Und dies wohl mit Amateuren, denn die Aufgaben dieser Amtsstellen lauten ja anders. Oder sollen alle Departemente nun eigene volkswirtschaftliche Teams anstellen, um eigene Konjunkturzahlen zu erheben und eigene Prognosen zu erstellen?

Der Bundesrat als Chef der Verwaltung muss solche Machenschaften – und um eine solche handelt es sich hier – unmittelbar unterbinden. Tut er das nicht, ist die Oberaufsicht des Parlamentes gefordert. Wird hier kein Riegel geschoben, sind der Willkür Tür und Tor geöffnet. Dann wird jedes Amt, je nach parteipolitischer Couleur, andere Behauptungen und Prognosen aufstellen und die Realitäten nach seiner Façon zurechtbiegen. Und das alles auf dem Portemonnaie der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Das Arbeitszeugnis vernichtet

Kürzlich wurde ein Unternehmer von einem Richter (Obergericht Kanton Zürich) dazu gezwungen, seiner ehemaligen Angestellten trotz überdeutlichem Fehlverhalten und schlechter Arbeitsleistung ein gutes Arbeitszeugnis auszustellen. Die Arbeitnehmerin wird damit nun zufrieden sein. Dass sie hiermit ein bisher vielbeachtetes und wichtiges Instrument ad absurdum geführt und im Endeffekt recht eigentlich vernichtet hat, wird ihr egal sein – falls es sie überhaupt interessiert.

Das Arbeitszeugnis gab bisher Auskunft über eine gute oder sehr gute Kompetenz und Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers. Bei Anstellungen gehörte es seit je zu den wichtigsten Kriterien. In den vergangenen Jahrzehnten wurde sein Wert jedoch immer mehr ausgehöhlt. Negative Aussagen waren unzulässig und versteckte Codes verpönt bis illegal. Damit sank seine Aussagekraft und auf diese Weise sein Wert für den Arbeitnehmer wie für die Arbeitgeberin kontinuierlich. Bis zu jenem Tiefststand, den es nun erreicht hat.

Zahlreiche Firmen sind inzwischen dazu übergegangen, die Stellenbewerberinnen nach allen Regeln der Kunst zu testen. Anstellungsprozesse ähneln deshalb immer häufiger richtiggehenden Prüfungen, bei denen der Bewerber sich kaum einen Fehler oder eine Schwachstelle erlauben darf, wenn er den Job wirklich haben möchte. Damit ist die Frage, wie kompetent, sozialverträglich und fleissig ich bin, nicht mehr von meiner effektiven Leistung und meinem Auftreten über eine längere Zeit abhängig, sondern von meiner Tages- oder Stundenform.

Ehrlicherweise sollte man die Arbeitgeber nun davon entlasten ein Arbeitszeugnis ausstellen zu müssen. Denn seine Aussagekraft, die sowieso laufend geringer wurde, hat mit diesem Richterspruch gegen Null abgenommen. Wer wird dem, was hier auf dem Papier steht, noch Glauben schenken, wenn selbst grobe Verfehlungen und schlechteste Leistungen als ausgezeichnete Arbeit dargestellt werden müssen?

Die Arbeitnehmerin, deren persönliches Interesse das Obergericht mit seinem Urteil zu schützen meinte, hat so sich selbst und allen anderen Arbeitnehmern mehr als einen Bärendienst erwiesen. Was da nun so löblich auf dem Papier steht, ist nämlich rein gar nichts mehr wert. Fragt sich am Ende nur, wessen Interesse denn das Zürcher Obergericht schützen wollte? Sicher ist nur: Zurück bleiben allein Verlierer – und letztlich trifft das auch auf das Gericht zu.

Mittwoch, 2. September 2020

Erlaubt ist, was gefällt

Offenbar hat die sozialistische Linke Johann Wolfgang Goethe falsch verstanden. Denn als Tasso erklärt: «Erlaubt ist, was gefällt.», wird er zurechtgewiesen. «Erlaubt ist, was sich ziemt», korrigiert ihn die Prinzessin.

Im linksgrün regierten Berlin bietet sich im Moment das gleiche Bild wie im linksgrün regierten Zürich. Die Stadtregierung verbietet jene Demonstrationen, die ihr (partei-)politisch nicht in den Kram passen und schenkt jenen ein fast unbegrenztes und unkontrolliertes Demo-Recht, die sie auf ihrer (partei-)politischen Seite weiss.

Während das Ereignis jedoch in Deutschland zum Anlass einer demokratiepolitischen Grundsatzdebatte genommen wird (und die Taten Rechtsextremer nicht tolerierbar sind), schweigen hierzulande die Medien und die Politiker mit wenigen Ausnahmen. Bei illegalen Demonstrationen von Ihresgleichen hat die Zürcher Stadtregierung in den letzten Monaten mehrmals weggeschaut. Selbst dann, wenn der Bund und andere Kantone deswegen intervenierten. Man könne eben Grundrechte nicht verbieten und Demos, wenn sie einmal im Gang sind, aus Sicherheitsgründen polizeilich nicht stoppen, lautete in etwa die Begründung.

Mit dem Sicherheitshinweis hatten die Stadtzürcher den Gegnern der Abtreibung bereits 2019 die Demonstration verboten. Die linke Gegendemo wurde jedoch bewilligt. Das Verwaltungsgericht stoppte die Stadtzürcher Behörden schliesslich und zwang sie, die Demo zu bewilligen. Dennoch haben sie kürzlich das diesjährige Gesuch der Abtreibungsgegner erneut abgelehnt. Mit der gleichen Begründung wie im Vorjahr. Sie rechnen offenbar damit, dass der Vereinigung der Rechtsweg irgendwann zu teuer oder zu aufwändig wird.

Nun, deutlicher hätten die Links-Grünen ihr Demokratieverständnis nicht dokumentieren können. Sind sie einmal an der Macht, darf der Bürger nur noch das tun, was ihnen gefällt. Hier folgen sie dem Schema jener osteuropäischen Linksdiktaturen, die vor rund 30 Jahren krachend in sich zusammengebrochen sind. Dieses politische Verhalten ziemt sich nicht in einer Demokratie. Nein, mehr noch: es ist nicht rechtens. Wenn der Bürger seine Freiheit behalten will, muss er eine deutliche Antwort auf solche antidemokratischen Machenschaften an der Urne geben.