Donnerstag, 27. August 2020

Ein Verzicht, der keiner ist

Jeden Spätsommer stehen die Lohnverhandlungen an. Die Sozialpartner diskutieren miteinander über die anstehende Lohnrunde. Das ist eine der wichtigsten Errungenschaften der schweizerischen Sozialpartnerschaft, Grundlage für den sozialen Frieden im Land und nicht hoch genug einzuschätzen.

Auch die Solothurner Regierung und die Personalverbände haben die Köpfe zusammengesteckt und sich gemäss ihrer Verlautbarung «gemeinsam entschieden». Aufgrund der aktuellen Corona-Krise und ihrer Folgen «verzichten» die Solothurner Staatsangestellten auf eine Lohnerhöhung für das Jahr 2021. Das ist sehr vernünftig und soweit in Ordnung.

Die Gewerkschaften haben damit jedoch nicht, wie fälschlicherweise berichtet, einer «Nullrunde» zugestimmt, bzw. auf einen Teuerungszuschlag «verzichtet». Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusehen, dass die Teuerung in diesem Jahr negativ sein wird. Das heisst, mit dem gleichen Einkommen wie 2020 können wir im 2021 mehr kaufen. Dies ergibt für alle Arbeitnehmer, deren Einkommen im 2021 gleich bleibt wie 2020, eine Reallohnerhöhung. Eine, die zudem den Vorteil hat, dass die Steuern nicht einen Teil davon wieder wegfressen. Sollte die Jahresteuerung 2020 also bei -0.5% liegen, ergäbe dies bei einem Monatslohn von CHF 6'000 eine Reallohnerhöhung von immerhin CHF 390 im Jahr. Berücksichtigen wir, dass dieser Betrag keine Steuerfolgen hat, so entspricht er in realiter einer üblichen Lohnerhöhung von immerhin 500 bis 600 Franken.

(Hätten die Sozialpartner die Teuerung berücksichtigt, wie das die Gewerkschaften sonst immer vehement verlangen, hätte dies für Alle eine Lohnreduktion bedeutet…)

Viele Staatsangestellte müssen sich jedoch nicht damit zufriedengeben. Gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) ist der jährliche «Erfahrungszuschlag» für alle Staatsangestellten, die nicht bereits den Maximallohn in ihrer Lohnstufe erhalten, jeweils nicht Teil dieser spätsommerlichen Vereinbarung. Ihr Lohn wird also zusätzlich und damit wegen der Negativteuerung umso spürbarer steigen. Auch das sei hier nicht kritisiert.

Es würde jedoch den Vertretern der Staatspersonalverbände gut anstehen, ihre Grosszügigkeit etwas weniger zu betonen und auf das Wort «Verzicht» am besten zu verzichten. Denn (zu) viele Anstellte in der Privatwirtschaft können von solchen Perspektiven nicht mal träumen. Sie müssen um ihren Job bangen oder haben ihn schon verloren; sie arbeiten kurz und haben damit Einkommenseinbussen. Viele Kleingewerbler haben ihr Geschäft und ihr Erspartes verloren und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Und (zusätzlichen) Stress wegen Corona haben die meisten von ihnen ebenso wie ein Teil der Staatsangestellten.

 

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