Die Schweiz sei zu teuer. Grundnahrungsmittel oder Kosmetika seien im nahen Ausland billiger zu haben. Von rechts bis links schimpft die Politik über diese Realität. Und Tausende von Konsumenten haben nur darauf gewartet, dass sie nach dem Lockdown wieder im Ausland einkaufen dürfen. Rund 10-15 Milliarden Schweizer Franken sollen jährlich im grenznahen Ausland ausgegeben werden. Geld, das in der Schweiz fehlt: in den Kassen von Dorfläden ebenso wie im Geldbeutel unserer Landwirtschaft.
Denn Grundnahrungsmittel sind in der Schweiz nun mal teurer als im Ausland, weil die Löhne und die Produktionskosten, letztere u.a. wegen der Topografie, hierzulande höher sind. Deshalb werden die Schweizer Bauern auch kräftig von den Schweizer Steuerzahlern unterstützt. Mehr als 20 Milliarden Franken (gem. Angaben von Avenir Suisse) fliessen so jährlich vom einen Geldbeutel in den anderen.
Solidarität also zwischen Bauern und Konsumenten/Steuerzahlern? Die Konsumenten haben zwar in den letzten Wochen die «Produzenten vor der Haustüre» teilweise neu entdeckt. Offenkundig trifft dies jedoch nicht auf alle zu, wie die Auslandeinkäufe beweisen. Die Bauern ihrerseits geben zwar viel Geld aus für die Anwerbung inländischer Kundinnen, lassen aber kaum eine Gelegenheit aus, sich unsolidarisch zu verhalten, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.
Weil sie befürchten, bei künftigen internationalen Verhandlungen über neue Handelsverträge allenfalls etwas mehr unter Druck zu geraten als bis anhin schon, haben sich die Schweizer Bauern mit all ihrer Lobbykraft letzte Woche im Parlament gegen den Abbau der Industriezölle gewehrt. Die Schweizer Industrie (und damit auch viele Konsumenten und Arbeitnehmer in diesem Land) müssen also bei der Einfuhr ausländischer Fabrikate mehr bezahlen, damit die Landwirtschaftszölle neben den Benzinzöllen nicht bald eine der letzten Einfuhrzölle darstellen.
Einmal mehr nahmen die Landwirtschaftspolitiker und -Lobbyisten die Schweizer Wirtschaftspolitik in ihren Würgegriff. Immer dringender jedoch stellt sich die Frage, wie lange das noch gut gehen kann. Die Schweiz ist längst kein Agrarstaat mehr. Wenn wir von den Erträgen unserer Landwirtschaft leben müssten, wären wir mausarm. Die Bauernfunktionäre wollen das Rad der Zeit anhalten oder am liebsten gar zurückdrehen. Das ist aber noch niemandem gelungen. Sie sollten deshalb ihre Energie und Kreativität besser darauf verwenden, ihre Branche fit zu machen für einen offenen Markt. Wenn sie dauernd der Schweizer Wirtschaft schaden, wenn sie von den Konsumenten und Steuerzahlern mehr Solidarität einfordern, selbst aber nicht leisten, wird es für sie ein böses Erwachen geben.
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