Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Ankündigung des BAG, die Grosseltern dürften nun ihre Enkelkinder wieder umarmen, sind in ihrem - nicht zuletzt auch medialen - Grundtenor erschütternd. Da gehen ein paar Wochen Notrecht ins Land und schon haben wir uns daran «gewöhnt», selbst solche Dinge erst einmal bei den Landesvätern und -müttern nachzufragen, bevor wir uns ein Herz fassen und tun, was uns eigentlich ein Bedürfnis ist. Schon sind aus selbstverantwortlichen Stimm- und Wahlberechtigten hilfsbedürftige Unmündige geworden, die offenbar Vordenker und Führerschaft benötigen.
Das Bedürfnis, liebe Mitbürger, eure Familienangehörigen zu umarmen, ist völlig privat und niemand kann es Euch verbieten. Alle lieben Grosseltern wissen es: Wer seine Enkel regelmässig in Obhut nimmt, mit ihnen spielt und sie knuddelt, läuft Gefahr, sich auch mit Keimen anzustecken, die diese süssen Kleinen halt so mit sich tragen und im Kleinkindesalter fleissig und grosszügig in alle Windrichtungen verteilen. Dass darunter auch Keime sein können, welche die Gesundheit der Grosseltern nachhaltig beeinträchtigen oder schädigen können, ist längst kein Geheimnis mehr. Selbst im früher noch verbreiteten Mehrgenerationenhaus(halt) war dies stets eine latente Gefahr.
Ob, wie lange, wann und wie sie ihre Enkel umarmen, bestimmen die Grosseltern aber hoffentlich noch immer selbst. Sie haben genug Lebenserfahrung, um abzuschätzen, welches Risiko sie eingehen wollen. Es gibt in der Schweiz Tausende von Grosseltern, die sich im Herbst jeweils nicht gegen Grippe impfen lassen, obwohl sie wissen, dass sie – gerade bei einer heftigeren Grippeepidemie – damit stark gefährdet sind. Sie tun das, weil sie allein für ihre Gesundheit verantwortlich sind und sein wollen. Und auch als Ü65erin darf frau noch mit dem E-Bike rumkurven und auch der Ü65er darf eine Pfeife rauchen, obwohl beides im schlimmsten Fall tödlich enden kann.
Selbst nach ein paar Wochen Notrecht kann und soll weder eine Amtsstube noch eine Politikerin darüber bestimmen, was wir privat tun dürfen und was nicht. Wir haben weder unsere Selbstverantwortung, noch unser Denkvermögen oder unsere Mündigkeit und schon gar nicht unsere Menschenwürde am 17. März dieses Jahres abgegeben und wir werden sie uns auch nicht nehmen lassen. Von niemandem.
Aber es lässt sehr tief blicken, wenn «Bundesbern» uns Ü65er offenbar entweder als unmündig oder doch als geistig mehr oder weniger beschränkt einschätzt.
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