Samstag, 2. Mai 2020

Selbsternannte Moralisten wollen den Rechtsstaat kapern


Wenn sie einmal Blut geleckt haben: Der Bundesrat hat mit seinen Notmassnahmen die Türe weit aufgemacht für die (Teil-)Enteignung. Unternehmer, die ihr Geschäft staatlich verordnet schliessen müssen, erleiden damit einen gewaltigen Verlust. Das Geschäft verliert massiv an Wert und gleichzeitig werden liquide Mittel vernichtet, die über Jahre – bei gleichzeitiger mehrfacher Besteuerung – angespart worden sind. Dass ihr Geschäft für die allergrösste Mehrheit der Unternehmer auch gleich das ganze Vermögen und die Altersvorsorge darstellt, ist tragisch genug. Viele Familienunternehmer werden nun gezwungen, ihre wohlverdiente Rentnerzeit hinauszuschieben und stattdessen bis zum 70. oder 75. Altersjahr zu arbeiten. Damit werden sie auch – den Staat wird’s freuen – weiterhin AHV-Beiträge und fleissig Steuern aller Art entrichten.


Mit ihren monatlichen Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung haben diese Unternehmer wie jeder Versicherte das Recht erworben, im Bedarfsfall auf die Leistungen dieser Versicherung vertrauen zu dürfen. Wenn es aber nach dem Willen vieler Politiker und Parlamentarier bis weit ins bürgerliche Lager hinein gehen soll, dann werden diese ALV-Prämien nun plötzlich und rückwirkend erhöht. Dann werden die Konditionen mitten im Spiel bedeutend geändert. Jetzt sind zusätzlich zu den üblichen Prämien noch weitere Leistungen zu erbringen: die Unternehmen müssen in diesem und im nächsten Jahr auf die Ausschüttung einer Dividende, also auf die ordentliche Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals, verzichten. Wenn sie das nicht tun, dann ist ihnen mindestens der moralische Bannstrahl von Medien und selbsternannten Hobby-Ethikern gewiss: «Wenn wir schon so schön am Enteignen sind, dann fahren wir doch gleich damit fort.»


Grosse Entrüstung also nicht gegen diejenigen, die mitten im Spiel die Regeln ändern, sondern gegen diejenigen, welche die Opfer dieser plötzlichen Regeländerung sind. Da scheint das Denkvermögen etlicher Politikerinnen im Lockdown verloren gegangen zu sein. Betrachten wir die Sache einmal aus der Sicht einer Privatperson: Ich habe eine Diebstahlversicherung abgeschlossen und zahle dafür während Jahren fleissig und pünktlich meine Prämien. Jetzt wird bei mir eingebrochen und genau jetzt stellt sich die Versicherung auf den Standpunkt, wenn ich nicht entgegen unserem Vertrag freiwillig bereit sei einen Teil des Schadens selber zu berappen und zusätzlich auf ein neues Auto zu verzichten, sei ich ein unmoralischer und ein geldgieriger Mensch.

Da wird aus Recht plötzlich Unrecht – beliebig und nur aus einer einzigen Perspektive nachvollziehbar.

Dass so etwas ausgerechnet Repräsentanten des Staates verlangen, ist kurzsichtig und dumm. Denn erstens profitiert der Staat gleich mehrfach von Dividendenzahlungen, die er tatsächlich dreimal (!) besteuert. Gesellschaft und Staat profitieren ausserdem mehrfach davon, dass Privatpersonen ihr Geld in Unternehmen investieren und nicht in Luxusautos, Jachten und Vergnügungen irgendwelcher Art oder es in einer Spielbank verjubeln. Und dazu gibt es auch noch ein gültiges Aktien- und ein Schuldrecht in der Schweiz und unser Land profitierte bisher davon, dass es ein Rechtsstaat ist und die Investoren – egal ob In- oder Ausländer – hier mit einer hohen Rechtssicherheit rechnen konnten. All dies soll nun einer selbst-inthronisierten «moralischen Instanz» zum Opfer fallen? Es ist inständig zu hoffen, dass es im Parlament mehr Denker und Hüter unserer Rechtsordnung als kurzsichtige Populistinnen mit Moralin-Brille gibt.


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