Die Corona-Krise hat offensichtlich die Wahrnehmung und das Urteil vieler Zeitgenossen erheblich verschoben – um nicht zu sagen: beeinträchtigt. Die Diskussionen und oft auch die Empörungen hierzulande waren deutlich, als aus Italien Meldungen kamen, die darauf hindeuteten, dass nicht mehr alle Corona-Patienten mit dem vollen medizinisch-technischen Einsatz rechnen könnten.
Noch bis vor wenigen Wochen wurde darüber diskutiert, ob es wirklich angebracht sei, dass Krebspatienten Medikamente verabreicht würden, die pro Jahr bis zu einer Million Franken kosten. «Was ist ein Menschenleben wert?» war da häufig in den Medien und Kommentaren zu lesen.
Eine durchschnittliche Grippeepidemie löscht in der Schweiz rund 1500 Menschenleben aus. Und das in jedem Jahr. Gemäss Statistik sind das nicht alles Hochbetagte, es befinden sich darunter auch jüngere Schweizerinnen und Schweizer. Trotzdem besteht nicht einmal in Betagtenheimen eine durchgehende Impfpflicht für das betreuende Personal. Weniger als 10 Prozent der Menschen mit Kontakt zu Risikopatienten lassen sich impfen. Wir nehmen offensichtlich den Tod von Mitmenschen in Kauf, obwohl eine Grippe-Impfung in der Regel nur etwa 20 Franken kostet. Hier ist ein Menschenleben nicht viel wert.
Anders bei Corona. Noch sind gemäss BAG weniger als 1600 Menschen an diesem aggressiven Virus gestorben. Die Kosten für die Gesamtgesellschaft (Staat und Wirtschaft), also für uns alle als Steuerzahler, als Arbeitnehmerinnen oder als Konsumenten, werden sich auf 300-400 Milliarden Franken belaufen. Sollte das Virus bis zu einer möglichen Impfung tatsächlich in der Schweiz 3000 Menschenleben fordern, hätte uns jeder einzelne Todesfall mindestens 100 Millionen Franken gekostet. Hätten wir mit dem Lockdown den Tod von weiteren 5'000 Menschen verhindern können, hätte uns dies pro gerettetem Menschenleben zwischen 60 und 80 Millionen gekostet. Eine Diskussion darüber, ob dies angebracht oder sinnvoll ist, führen wir zumindest bis heute nicht.
Wie muss sich ein Patient in einem Betagtenheim fühlen? Wie muss sich eine Krebspatientin fühlen, deren Medikamente der obligatorischen Krankenversicherung zu teuer sind?
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