Montag, 17. Februar 2020

Wasser predigen und Wein trinken



Nirgends so häufig wie in der Politik wird Wasser gepredigt und Wein getrunken. Aber selbst wenn das dort schon fast alltäglich ist, soll es nicht kritikfrei bleiben. Die Initianten und Befürworterinnen der Konzernverantwortungsinitiative geben dafür ein gutes Beispiel her.

Schweizer Konzerne sollen für alles, was sie tun und für alle ihre Geschäftspartner im In- wie im Ausland – inklusive deren Tun und Lassen – ausnahmslos die volle Verantwortung tragen. Dabei soll nicht reichen, dass man sich in jedem Land an die dortigen Gesetze hält. Schweizer Recht soll weltweit gelten.

Kaum die Mehrheit der Befürworter dürfte wissen, was ein «Konzern» nach Schweizer Recht überhaupt ist. Das ist eine Holding mit zwei bis drei Mehrheitsbeteiligungen. Bei Schweizer Familienunternehmen ist das eine sehr häufige Unternehmensform. Denn diese ermöglicht eine gewisse Unabhängigkeit von den Banken. Die allermeisten Schweizer Unternehmen sind viel zu klein, um an der Börse Finanzmittel aufnehmen zu können. Entweder die Banken springen ein bei grösseren Investitionen oder anderen Liquiditätsengpässen oder die Eigner selber. Die Holding-Konstruktion bietet die Möglichkeit, dass die Holding so ausgestattet werden kann, dass sie quasi als «interne Bank» figurieren und die Tochterfirmen mit den nötigen liquiden Mitteln versehen kann. Das ist kein Selbstzweck, sondern erhöht die Stabilität der Unternehmen massiv und ist einer der Hauptgründe, weshalb Familienunternehmen relativ krisenresistent sind. Das heisst, diese Konstruktion sichert Arbeitsplätze in der Schweiz.

Solche KMU und Familienunternehmen beziehen jedoch wie alle anderen auch, einen Teil ihrer Produktionsmittel direkt oder über Drittlieferanten im Ausland. Das beginnt beim PC und bei den Stahlteilen der Büromöbel. Laut Initianten müssten also diese KMU, die gemäss Schweizer Recht sogenannte «Konzerne» sind, alle dieses Lieferungen vorwärts und rückwärts untersuchen, ob nicht irgendwo einer der an deren Produktion und Lieferung Beteiligten irgendeinmal ein Schweizer Gesetz oder eine Verordnung verletzt hat. Diesen administrativen Riesenapparat kann sich ein normales KMU nicht leisten. Auch wenn es nur einen Teil der Forderungen umsetzen will, erhöht dies die Kosten und verteuert damit seine Produkte oder Dienstleistungen. Weil jedoch die Schweizer Konsumenten nicht gleichzeitig dazu verpflichtet werden, teure Schweizer Produkte anstelle der günstigeren aus dem Ausland zu kaufen, geht diese Rechnung nicht auf. Unternehmen müssen aufgeben, Arbeitsplätze gehen verloren.

Richtig schizophren wird es aber dann, wenn die gleichen Konsumenten, die als Stimmberechtigte die Konzernverantwortungsinitiative gutheissen, via Internet laufend Produkte im Ausland, vorzugsweise in Fernost, ordern, weil diese viel billiger zu haben sind als diejenigen aus der Schweiz oder aus Europa. Die Unternehmen müssen sich bis zum i-Pünktchen ökologisch und sozial verantwortungsbewusst verhalten – und die Stimmberechtigten und Konsumenten, die sie dazu «verknurren» wollen, verhalten sich in jeder Beziehung völlig verantwortungslos. Wie passt denn das zusammen?

Da sind es für einmal nicht die Politiker, sondern es wären die Stimmberechtigten selber, die Wasser predigen und Wein trinken würden. Dass sie dabei auch noch den eigenen Arbeitsplatz gefährden, scheint ihnen ebenso egal zu sein wie nicht existente Bürgerfreiheiten oder die Umwelt in Fernost; oder wie die sozialen Bedingungen in irgend einem Drittweltland. Gibt es da nicht ein altes Sprichwort vom Wischen vor der eigenen Tür? Es ist eben doch stets einfacher, von den Anderen etwas zu verlangen als es selber zu tun.

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