Nirgends so häufig wie in der Politik wird Wasser gepredigt
und Wein getrunken. Aber selbst wenn das dort schon fast alltäglich ist, soll
es nicht kritikfrei bleiben. Die Initianten und Befürworterinnen der
Konzernverantwortungsinitiative geben dafür ein gutes Beispiel her.
Schweizer Konzerne sollen für alles, was sie tun und für
alle ihre Geschäftspartner im In- wie im Ausland – inklusive deren Tun und
Lassen – ausnahmslos die volle Verantwortung tragen. Dabei soll nicht reichen,
dass man sich in jedem Land an die dortigen Gesetze hält. Schweizer Recht soll
weltweit gelten.
Kaum die Mehrheit der Befürworter dürfte wissen, was ein «Konzern»
nach Schweizer Recht überhaupt ist. Das ist eine Holding mit zwei bis drei
Mehrheitsbeteiligungen. Bei Schweizer Familienunternehmen ist das eine sehr
häufige Unternehmensform. Denn diese ermöglicht eine gewisse Unabhängigkeit von
den Banken. Die allermeisten Schweizer Unternehmen sind viel zu klein, um an
der Börse Finanzmittel aufnehmen zu können. Entweder die Banken springen ein
bei grösseren Investitionen oder anderen Liquiditätsengpässen oder die Eigner
selber. Die Holding-Konstruktion bietet die Möglichkeit, dass die Holding so
ausgestattet werden kann, dass sie quasi als «interne Bank» figurieren und die
Tochterfirmen mit den nötigen liquiden Mitteln versehen kann. Das ist kein
Selbstzweck, sondern erhöht die Stabilität der Unternehmen massiv und ist einer
der Hauptgründe, weshalb Familienunternehmen relativ krisenresistent sind. Das
heisst, diese Konstruktion sichert Arbeitsplätze in der Schweiz.
Solche KMU und Familienunternehmen beziehen jedoch wie alle
anderen auch, einen Teil ihrer Produktionsmittel direkt oder über
Drittlieferanten im Ausland. Das beginnt beim PC und bei den Stahlteilen der
Büromöbel. Laut Initianten müssten also diese KMU, die gemäss Schweizer Recht
sogenannte «Konzerne» sind, alle dieses Lieferungen vorwärts und rückwärts untersuchen,
ob nicht irgendwo einer der an deren Produktion und Lieferung Beteiligten
irgendeinmal ein Schweizer Gesetz oder eine Verordnung verletzt hat. Diesen
administrativen Riesenapparat kann sich ein normales KMU nicht leisten. Auch
wenn es nur einen Teil der Forderungen umsetzen will, erhöht dies die Kosten
und verteuert damit seine Produkte oder Dienstleistungen. Weil jedoch die
Schweizer Konsumenten nicht gleichzeitig dazu verpflichtet werden, teure
Schweizer Produkte anstelle der günstigeren aus dem Ausland zu kaufen, geht
diese Rechnung nicht auf. Unternehmen müssen aufgeben, Arbeitsplätze gehen
verloren.
Richtig schizophren wird es aber dann, wenn die gleichen
Konsumenten, die als Stimmberechtigte die Konzernverantwortungsinitiative
gutheissen, via Internet laufend Produkte im Ausland, vorzugsweise in Fernost, ordern,
weil diese viel billiger zu haben sind als diejenigen aus der Schweiz oder aus
Europa. Die Unternehmen müssen sich bis zum i-Pünktchen ökologisch und sozial
verantwortungsbewusst verhalten – und die Stimmberechtigten und Konsumenten,
die sie dazu «verknurren» wollen, verhalten sich in jeder Beziehung völlig
verantwortungslos. Wie passt denn das zusammen?
Da sind es für einmal nicht die Politiker, sondern es wären
die Stimmberechtigten selber, die Wasser predigen und Wein trinken würden. Dass
sie dabei auch noch den eigenen Arbeitsplatz gefährden, scheint ihnen ebenso
egal zu sein wie nicht existente Bürgerfreiheiten oder die Umwelt in Fernost;
oder wie die sozialen Bedingungen in irgend einem Drittweltland. Gibt es da
nicht ein altes Sprichwort vom Wischen vor der eigenen Tür? Es ist eben doch
stets einfacher, von den Anderen etwas zu verlangen als es selber zu tun.
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