Kleine, mittelgrosse und (für schweizerische Verhältnisse)
grosse Städte haben hierzulande alle dasselbe Problem: die Innenstädte – häufig
weitgehend denkmalgeschützte Altstädte – verwaisen. Sie sterben leise und
unspektakulär. Die Läden gehen ein und das Gewerbe zieht aus. Wo die Läden noch
existieren, wird ihr Mix zunehmend einseitiger: Modeboutiquen – entweder von
Allerweltsketten oder als kurzlebige Sternschnuppen, Coiffeursalons,
Kleinstläden mit Selbstgebasteltem und allenfalls noch die eine und andere Galerie
eines Kunstfreundes, der wirtschaftlich nicht auf die Einnahmen des Geschäfts
angewiesen ist und sich die Galerie als Hobby leistet.
Schuld sei in erster Linie das Online-Shopping, wird landauf
und -ab von Medien und Politikern unisono behauptet. Nur: Das Sterben der
Stadtzentren hat Jahrzehnte VOR dem Internet begonnen. Städtchen wie
Laufenburg, Burgdorf oder Lenzburg u.a. waren schon tot, bevor es das Online-Shopping gab und
auch Oltens Altstadt lag schon Jahre vorher in der Agonie.
Über die Gründe wie über mögliche Rezepte bzw. Therapien
gegen dieses Aussterben der Innenstädte wurden bereits unzählige Studien,
Master- und Bachelorarbeiten verfasst. DIE Lösung scheint noch niemand gefunden
zu haben. Wie so oft mag sie in einem Mix von Massnahmen liegen und nicht in
einem einzigen Super-Rezept. Die Belebung der Innenstädte beginnt bei der
Wirtschaftspolitik der betroffenen Gemeinde, bei deren Raumplanung und den
Budgets für die Infrastruktur. Gefordert sind auch die Immobilienbesitzer. Von
ihnen werden mehr Flexibilität, Mut zu Investitionen und mehr Offenheit neuen
Entwicklungen gegenüber verlangt. Die Gemeinden müssen das Gespräch mit ihnen
suchen und sie und ihre Ideen wo immer möglich unterstützen – und nicht
innovativen Pläne noch eine Fülle bürokratischer Steine in den Weg legen. Wie
das geht? Man erkundige sich mal im Kanton Uri bei der Gemeinde Andermatt.
Die Behörden der betroffenen Kantone müssen alte Normen und
Verordnungen hinterfragen und Hand zu neuen Lösungen bieten; auch und allen
voran die Denkmalpflege. Nicht alles, was mehr als 100 Jahr alt ist, ist besser
und schöner und deshalb integral zu erhalten. Auch Neues kann schön sein und in
100 Jahren ebenfalls als Beispiel einer Epoche dienen. Aber auch schikanöses
oder rechthaberisches Verhalten von Bewilligungsbehörden ist da fehl am Platz.
Ebenso das allseits beliebte Katz-und-Maus-Spiel gewisser
Verwaltungsabteilungen nach dem Prinzip: «Was die vom anderen Amt bestimmen
oder wollen, geht uns nichts an. Auch dann nicht, wenn es das Gegenteil von dem
ist, was wir von Ihnen wollen. Das ist allein Ihr Problem.»
Ein Thema, um das Gemeinde- wie Kantonalpolitiker gerne
einen grossen Bogen machen, sind die Ladenöffnungszeiten. Hier beherrschen noch
immer alte Gewerkschaftsparolen und noch ältere Vorstellungen aus
Gewerbekreisen die Diskussionen und führen damit stets zu einem Nein an der
Urne, das am Ende niemandem auch nur einen Grashalm einbringt. Im Gegenteil: Am
Ende gehen Gewerbe ein, Stellen werden abgebaut und das Steuersubstrat sinkt. Beide,
Gewerkschaften wie Gewerbler, fürchten sich vor liberaleren Ladenöffnungszeiten, weil sie diese gleichsetzen mit längeren Ladenöffnungs- und längeren
Arbeitszeiten. Seltsamerweise würde es niemandem einfallen, eine Drogerie schon
um sechs Uhr morgens zu öffnen, wie das die nebenstehende Bäckerei tut. Ich
kenne einen Coiffeursalon, der seine Türen an gewissen Tagen um 06.30 Uhr
öffnet – aber sie um 13.00 Uhr auch wieder schliesst. Weil das die Kunden
explizit so wünschen. Sie sind genau deswegen Kunde bei ebendiesem Salon und
nicht bei der Konkurrenz, die um neun Uhr öffnet und erst um 18 Uhr
schliesst. Niemand muss 24 Stunden geöffnet haben - aber jeder soll seine Kunden so bedienen können, wie und wann sie es wünschen.
Liberale Öffnungszeiten sind gerade für kleinere, private
Geschäfte und Familienbetriebe in den Innenstädten eine ausgezeichnete Chance,
sich von den grossen Ketten zu unterscheiden. Sie können sich damit ihre eigene
Stammkundschaft aufbauen – weil sie dann geöffnet haben, wenn die anderen
geschlossen bleiben. Wenn ich mein Feierabendbier noch mit einem Besuch beim
Metzger oder der Käserei verbinden kann, weil sie erst um 20 Uhr oder um 21 Uhr
schliessen, dann ist das Teil einer sehr geschätzten Lebensqualität. Aber deswegen
muss die Käserei nicht auch zwischen 14 und 16 Uhr geöffnet haben. Und wenn ich
nach einem langen Arbeitstag im Büro mit einem Brummschädel feststelle, dass
die Tabletten gegen die Kopfschmerzen ausgegangen sind, hilft es mir wenig, wenn um diese Zeit ausschliesslich
in Bern, Basel oder Zürich eine Apotheke geöffnet hat. Liebe Gewerbler: Die
reinen Hausfrauen werden weniger. Fünf Millionen Schweizerinnen und Schweizer
sind berufstätig. Die grosse Mehrheit von ihnen benötigt offene Geschäfte vor
oder nach der üblichen Arbeitszeit. Und nicht zwischen 10 und 12 und zwischen
14 und 17 Uhr, wenn in der Schweiz noch immer die allermeisten Geschäfte geöffnet haben.
Wenn die Leute abends nach Aarberg oder Olten ins Restaurant
gehen, sind dort die Läden zu. Warum kann und darf der Bürger nicht das Eine
mit dem Anderen, den Einkauf mit dem Bier oder dem Nachtessen im Restaurant
verbinden? Am Samstag pilgern viele Mitbürgerinnen ins Einkaufszentrum, um
genau das miteinander zu verbinden: den Einkauf und den Kaffee oder einen
Lunch. Restaurants und Läden würden beide voneinander profitieren – und die
Lebensqualität würde steigen – für die Konsumenten wie für die Innenstädte(r).
Ist es nicht paradox wenn viele Gemeinden und ab und zu gar
eine kantonale Behörde ihre Schalteröffnungszeiten inzwischen soweit
liberalisiert haben, dass auch arbeitstätige Mitbürgerinnen mit einem 100%-Pensum problemlos und ohne
Extra-Freitag ihre Anliegen vorbringen und ihre Amtsgeschäfte tätigen können –
wenn dann jedoch die gleiche Gemeinde, der gleiche Kanton den privaten KMU
verwehrt, was er aufgrund berechtigter Einsicht selber vollzogen hat?
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