Donnerstag, 20. Februar 2020

"In Unkenntnis" oder nur unprofessionell?



In diesen Tagen in mehreren Zeitungen gelesen: «Meiste Schulden wegen Steuern». Die Steuern sind also der Grund, weshalb so viele Schweizer Schulden haben? Die Schlussfolgerung daraus müsste demnach lauten: «Die Steuern sind zu hoch und müssen unbedingt gesenkt werden.» Falls dieser Titel nicht falsch oder zumindest missverständlich daherkommt.

Das Bundesamt für Statistik (BfS) hat soeben Zahlen veröffentlicht zur Schuldensituation der Schweizer Bevölkerung im Jahr 2017, das heisst aller in der Schweiz wohnhaften Personen. Und darauf nahm dieser Beitrag Bezug. Das BfS kommt zum Schluss, dass in der Schweiz «Zahlungsrückstände die häufigste Art von Schulden» darstellen. Darin inbegriffen sind etwa auch Leasingverpflichtungen oder andere Kreditverträge mit Abzahlungspflicht. Also eigentlich nicht die Steuern.

Dass dennoch viele Steuerpflichtige nicht alle Steuern bezahlt haben, ist längst bekannt. Dabei sind jedoch alle jene abzuziehen, deren Steuerrechnung wegen einem hängigen Verfahren noch offen ist. Und all jene, bei denen die Steuerämter im Verzug sind. Das heisst, dass der Steuerpflichtige noch nicht (rechtsgültig) veranlagt wurde. In diesem Fall können nämlich die für die Vorjahre fälligen Steuern als Schulden vom aktuellen Vermögen in Abzug gebracht werden. Die Beträge tauchen also auf der Schuldenseite auf. Dies trifft häufig bei der Bundessteuer zu, weil diese erst auf die kantonalen Daten warten muss. Statistisch betrachtet habe ich dann also Steuerschulden, obwohl diese noch gar nicht zu begleichen sind, weil die Abrechnung noch fehlt.

Der Schreibende hat nichts dagegen einzuwenden, wenn die Steuern sinken. Jedermann darf auch behaupten, die Steuern seien zu hoch. Trotzdem ist diese Titelgebung der Journaille falsch und unprofessionell. Denn sie kommentiert, wo sie berichten sollte und das erst noch falsch. Denn gemäss BfS ist dem eindeutig nicht so, dass die Steuern der Grund sind für die hohe Verschuldung der Schweizer Haushalte. Aber es verhält sich hier nicht anders als bei der Krankenversicherung, wo 170'000 Personen ihre Prämien nicht bezahlen: Das vorhandene Geld wird für Anderes ausgegeben. Und da sind tausend Dinge zu finden, die eindeutig mehr Spass machen als die Steuer- und die Krankenkassen-Rechnungen.

Titel in Medienbeiträgen müssen kurz und eingängig sein. Sie werden von den meisten Rezipienten gelesen. Den Text lassen Viele aus. Studien zeigen gar, dass ihn nur die Allerwenigsten überhaupt zu Ende lesen. Das Ganze nennt sich dann «Kurzinformation» und reicht für den «Stammtisch», manchmal gar für einen Abstimmungsentscheid. Die Verantwortung und die Professionalität der Medienschaffenden müssen jedoch so weit reichen, derartige Fehlleistungen zu verhindern.


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