Mittwoch, 5. Februar 2020

Die Krux mit der Ideologie und der Weisheit



Jede lebende Sprache verändert sich täglich: es entstehen (neue) Abkürzungen und Begriffe, andere schleifen sich ab. Seit es Menschen gibt, reden die Leute so, wie es am einfachsten, am bequemsten geht. Niemand läuft freiwillig und ohne Nutzen einen Umweg. Das ist bei der Sprache nicht anders. Und was sich heute bei der gesprochenen Sprache allmählich etabliert, wird morgen auch Eingang in die Schriftsprache und in den Duden finden.

Die heutige Gender-Sprache läuft dieser Jahrtausende alten Entwicklung entgegen: Was gestern noch relativ einfach war, wird heute kompliziert. Zuerst bei der geschriebenen und jetzt vermehrt auch bei der gesprochenen Sprache. Da soll der Leser unaussprechbare Buchstabenfolgen goutieren wie «Jurist*innen» oder «Jurist/innen» oder «JuristInnen» oder stets von «Juristinnen und Juristen», von «Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern» lesen. Wer tut sich das freiwillig an?

Dieser sprachliche Modetrend wird keine Zukunft haben, weil er unvernünftig ist und allem Menschlichen – das stets zur Einfachheit und zum Bequemeren tendiert – widerspricht. In den SMS, die noch vor wenigen Jahren mühevoll zu schreiben waren, hatte sich rasch eine Abkürzungsorgie etabliert. Ein Teil davon ist auch auf den Mail-Verkehr übergegangen. Wieso übrigens sagen wir auch im deutschsprachigen Raum «Mail»? Weil das nun mal viel kürzer ist als das deutschsprachige «Mitteilung» oder «elektronischer Brief».

Lustig ist jedoch, sich Texte anzuschauen, die von überzeugten Befürworterinnen oder Befürwortern einer geschlechtsneutralen Sprache verfasst wurden. So schrieb kürzlich eine solche Person in einer Tageszeitung konsequent von den «Jurist*innen». Im gleichen Text kamen jedoch auch Begriffe vor wie «Juristensprache», «Richterstellen», «der Laie» und «der Profi». Wie jetzt? Haben Juristinnen keine Sprache und Richterinnen keine Stelle? Sind alle Laien männlich und nur Männer sind Profis?

Glück gehabt, dass wenigstens «das Volk» sächlich ist – und das ist wohl noch das letzte unverfängliche Geschlecht. Das ist vielleicht auch die Lösung für jene Personen, die sich beiden oder keinem Geschlecht zuordnen. Doch bei mir stellt sich dann die Frage: Wie sind diese anzusprechen, wenn sie ebenfalls mitgemeint sind? «Der Mensch» war einmal; «die Menschin» kommt grad in Mode – aber ist das nicht eine Diskriminierung derjenigen, die sich bei keiner dieser Versionen angesprochen fühlen, weil sie sich weder als männlich noch als weiblich verstehen? Bisher stand ja «der Mensch» für alle Menschen, egal welchen Geschlechts. Es war die Bezeichnung für den «homo sapiens» und dessen Nachkommen schlechthin. Muss ich nun schreiben und sagen: «Das Mensch, der Mensch und die Menschin», damit sich niemand ausgeschlossen oder gar diskriminiert fühlt? Und wenn ich höflich sein möchte, welches Geschlecht nenne ich dann an erster und welches an zweiter und an dritter Stelle?

Irgendwie erinnert mich das alles an jene, welche in Sachen Religion die reine und einzige Heilslehre für sich beanspruchen. Auch sie kreieren häufig neue und ungewohnte Begriffe und grenzen sich mit einer besonderen Sprache von allen anderen Menschen, bzw. «Andersgläubigen» ab.

Da hatten es die alten Römer wirklich einfacher: «Homo» war der Mensch oder Mann – eine weibliche Form davon gab es nie. Die Frau hiess «femina». Erst die Naturwissenschaft hat im 19. Jahrhundert das Adjektiv hinzugefügt; zur Unterscheidung der Gattung Mensch von jener der Affen und der Hominiden, den «Menschenähnlichen». Dabei heisst «sapiens» eigentlich «weise». Ob das heute noch passt für uns, das sei mal dahingestellt.

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