Jede lebende Sprache verändert sich täglich: es entstehen
(neue) Abkürzungen und Begriffe, andere schleifen sich ab. Seit es Menschen
gibt, reden die Leute so, wie es am einfachsten, am bequemsten geht. Niemand
läuft freiwillig und ohne Nutzen einen Umweg. Das ist bei der Sprache nicht
anders. Und was sich heute bei der gesprochenen Sprache allmählich etabliert,
wird morgen auch Eingang in die Schriftsprache und in den Duden finden.
Die heutige Gender-Sprache läuft dieser Jahrtausende alten
Entwicklung entgegen: Was gestern noch relativ einfach war, wird heute
kompliziert. Zuerst bei der geschriebenen und jetzt vermehrt auch bei der
gesprochenen Sprache. Da soll der Leser unaussprechbare Buchstabenfolgen
goutieren wie «Jurist*innen» oder «Jurist/innen» oder «JuristInnen» oder stets
von «Juristinnen und Juristen», von «Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern» lesen.
Wer tut sich das freiwillig an?
Dieser sprachliche Modetrend wird keine Zukunft haben, weil
er unvernünftig ist und allem Menschlichen – das stets zur Einfachheit und zum
Bequemeren tendiert – widerspricht. In den SMS, die noch vor wenigen Jahren
mühevoll zu schreiben waren, hatte sich rasch eine Abkürzungsorgie etabliert.
Ein Teil davon ist auch auf den Mail-Verkehr übergegangen. Wieso übrigens sagen
wir auch im deutschsprachigen Raum «Mail»? Weil das nun mal viel kürzer ist als
das deutschsprachige «Mitteilung» oder «elektronischer Brief».
Lustig ist jedoch, sich Texte anzuschauen, die von
überzeugten Befürworterinnen oder Befürwortern einer geschlechtsneutralen
Sprache verfasst wurden. So schrieb kürzlich eine solche Person in einer
Tageszeitung konsequent von den «Jurist*innen». Im gleichen Text kamen jedoch auch
Begriffe vor wie «Juristensprache», «Richterstellen», «der Laie» und «der
Profi». Wie jetzt? Haben Juristinnen keine Sprache und Richterinnen keine
Stelle? Sind alle Laien männlich und nur Männer sind Profis?
Glück gehabt, dass wenigstens «das Volk» sächlich ist – und
das ist wohl noch das letzte unverfängliche Geschlecht. Das ist vielleicht auch
die Lösung für jene Personen, die sich beiden oder keinem Geschlecht zuordnen. Doch
bei mir stellt sich dann die Frage: Wie sind diese anzusprechen, wenn sie
ebenfalls mitgemeint sind? «Der Mensch» war einmal; «die Menschin» kommt grad
in Mode – aber ist das nicht eine Diskriminierung derjenigen, die sich bei
keiner dieser Versionen angesprochen fühlen, weil sie sich weder als männlich
noch als weiblich verstehen? Bisher stand ja «der Mensch» für alle Menschen,
egal welchen Geschlechts. Es war die Bezeichnung für den «homo sapiens» und
dessen Nachkommen schlechthin. Muss ich nun schreiben und sagen: «Das Mensch,
der Mensch und die Menschin», damit sich niemand ausgeschlossen oder gar
diskriminiert fühlt? Und wenn ich höflich sein möchte, welches Geschlecht nenne
ich dann an erster und welches an zweiter und an dritter Stelle?
Irgendwie erinnert mich das alles an jene, welche in Sachen
Religion die reine und einzige Heilslehre für sich beanspruchen. Auch sie
kreieren häufig neue und ungewohnte Begriffe und grenzen sich mit einer
besonderen Sprache von allen anderen Menschen, bzw. «Andersgläubigen» ab.
Da hatten es die alten Römer wirklich einfacher: «Homo» war
der Mensch oder Mann – eine weibliche Form davon gab es nie. Die Frau hiess
«femina». Erst die Naturwissenschaft hat im 19. Jahrhundert das Adjektiv
hinzugefügt; zur Unterscheidung der Gattung Mensch von jener der Affen und der
Hominiden, den «Menschenähnlichen». Dabei heisst «sapiens» eigentlich «weise». Ob
das heute noch passt für uns, das sei mal dahingestellt.
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