Einst waren Steuern jene Abgaben, die dem Staat bzw. dem Kaiser für seine Dienstleistungen geschuldet – und damit auch begründet waren. Ursprünglich war der Zehnte konkret geschuldet für den Schutz und die Sicherheit, die der mittelalterliche Fürst im Gegenzug seinen Untertanen schuldete.
Seit dem Sturz der Fürsten wurden die Leistungen des Staates laufend ausgeweitet. Soweit, dass wir heute schon bald wieder bei jenem Leibeigenen-Verhältnis sind, gegen das unsere Vorväter zu den Waffen griffen und für das sie ihr Leben aufs Spiel setzten. Der Staat sorgt vollumfänglich für seine Untertanen, die heute Bürger heissen. Fast jede weitere Staatsleistung ging dabei mit einer weiteren Einschränkung der persönlichen Freiheit einher. Dafür haben wir dem Staat einen erheblichen Teil – in manchen europäischen Ländern ist es für viele Bürgerinnen gar weit mehr als die Hälfte – unseres Verdienstes in Form von Steuern und Abgaben abzuliefern.
Die OECD und die G-20-Staaten haben nun damit begonnen, die Steuern von ihrer direkten Bindung an staatliche Leistungen zu entkoppeln. Auf der Suche nach neuen Einnahmen für die maroden Staatskassen ist auch westlichen Industriestaaten bzw. ihren Regierungen jedes noch so abstruse Mittel recht und willkommen, um neue Geldquellen zu erschliessen. Die bevölkerungsreichen Staaten und grossen Volkswirtschaften – so die heutige Hauptstossrichtung – sollen sich auf Kosten der kleineren Staaten ein grösseres Stück vom Steuerkuchen sichern können. Wo eine Firma ihren Sitz hat, wo eine Firma ihre Produktion hat, wo eine Firma die öffentliche Infrastruktur und staatliche Dienstleistungen und Einrichtungen nutzt, wo eine Firma ihre Fachleute dank gutem und vom Staat bezahltem Bildungswesen einfach rekrutieren kann, wo eine Firma dank guter Fachleute und motivierten Spezialisten einen Gewinn erwirtschaften kann, wo eine Firma von der Stabilität von Wirtschaft und Gesellschaft profitiert, wo sie aus der öffentlichen und der Rechts-Sicherheit Nutzen ziehen kann: all das soll nun keine Rolle mehr spielen. Eine Firma hat dort Steuern zu bezahlen, wo die Konsumenten sind oder im Falle der ICT-Branche die Nutzer.
Können Sie sich vorstellen, dass die USA der Schweiz Geld überweisen, weil viele von uns Microsoft, Google, Facebook und Apple nutzen? Da fällt es leichter an den Storch zu glauben. Oder China: es ist schlicht unvorstellbar, dass die Volksrepublik China der Schweiz je auch nur einen einzigen Rappen überweisen wird für alle Schweizer, die ein Huawei-Handy benutzen oder chinesische Ware einkaufen. Das Ganze wäre auch absurd und bis vor kurzem völlig unvorstellbar gewesen. Aber es scheint im Moment kaum ein Gedanke zu abwegig zu sein, um nicht in einem Politiker-Hirn gedacht zu werden.
Dass damit international ein riesiges Steuer-"Gnusch" herangebastelt wird, dass damit den Steuern erstmals in der Geschichte des Rechtsstaates jegliche Legitimation entzogen wird, das scheint niemanden wirklich zu kümmern. Staatschefs, die allein ihre Wiederwahl im Blick haben, wollen dies über die Köpfe ihrer Bürgerinnen und Bürger hinweg festsetzen. Dafür sind sie auch bereit, sich ins Gebiet der (staatlichen) Willkür zu begeben, welche die stillschweigende Zustimmung der Steuerzahlerinnen schon sehr arg strapaziert. Neu scheint hier allein das Recht des Stärkeren zu zählen.
Sind die Steuern aber erst von der konkreten (Staats-)Leistung entkoppelt, ist ihre moralische wie ihre rechtliche Legitimation weg und ihre Akzeptanz bei der breiten Bevölkerung beginnt drastisch zu sinken. Beispiele dafür liefert die Geschichte genug – und die vielen Newskanäle tun es für die Gegenwart ebenso. Wie soll Steuerehrlichkeit auf einem solchen Grund gedeihen? Um sie zu erzwingen, wird ein riesiger und teurer Staats-, Kontroll- und Bestrafungsapparat nötig sein. Dessen alleinige Existenz wird jedoch den Unmut der Steuerzahler ebenso wie den Widerstand dagegen weiter erhöhen.
Nein, was hier ohne moralische und ohne demokratische Legitimation ausgebrütet wird, ist kein Zukunfts-, sondern ein Krisenmodell. Die Schweiz, allen voran Bundesrat und Parlament – unterstützt von unseren Parteien – würde gut daran tun, solches Tun anzuprangern und zu verurteilen. Was hier angezettelt wird, ist letztlich Willkür und diese ist eine Schwester des (Bürger-)Betrugs. Die freiheitsliebenden Schweizer werden sich ihre direkte Demokratie hoffentlich nicht auf diese Weise aushebeln lassen.