Mittwoch, 8. Januar 2020

Wer an die eigene Lüge glaubt, macht daraus noch keine Wahrheit


Soeben haben sich die Gewerkschaften wieder einmal dem Thema Altersrente angenommen. Die Arbeitnehmer müssten «immer mehr» Beiträge bezahlen und erhielten «immer weniger Rente», monierten die Gewerkschaften. Was heisst: «immer mehr» und «immer weniger»? Die Gewerkschaften suggerieren hier, dass es sich um einen Zustand handelt, der seit Jahrzehnten anhält und weitere Jahrzehnte – «immer» eben – anhalten wird.

Tatsache ist, dass die AHV-Renten alle zwei Jahre angepasst werden. Seit die AHV im Jahr 1948 eingeführt wurde, wurden die Renten ausnahmslos nach oben angepasst. Das letzte Mal erfolgte die Erhöhung auf den Beginn des laufenden Jahres. Dies obwohl wir alle immer älter werden und deshalb kontinuierlich mehr Rentenjahre «geschenkt» erhalten. Nicht nur die Monatsrente wird also höher, auch das Total aller von einer Person durchschnittlich bezogenen AHV-Renten nimmt zu.

Dasselbe gilt für die Pensionskassenrenten. Seit 1985 gibt es das BVG-Obligatorium. Wer in den Jahren davor nicht beim Staat gearbeitet hat, der hatte vorher keine oder nur eine rudimentäre 2. Säule-Versicherung. Das heisst, dass die meisten Arbeitnehmer mit Jahrgang 1960 und älter nicht während ihrem ganzen Berufsleben zusammen mit ihrem Arbeitgeber auf ihr 2. Säule-Konto einbezahlt haben. Mit anderen Worten: Jahr für Jahr werden nun Arbeitnehmerinnen pensioniert, die besser versichert sind als ihre Vorgänger. Oder anders formuliert: das Guthaben, das ein durchschnittlicher Arbeitnehmer bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters ORA angespart hat, nimmt jährlich deutlich zu.

Wenn trotzdem die monatliche BVG-Altersrente nicht im gleichen Umfang steigt, so allein deshalb, weil das angesparte Kapital heute für mehr Rentenjahre reichen muss als vor bald 35 Jahren. Denn die Lebenserwartung der 64- und 65-Jährigen ist in dieser Zeit deutlich gestiegen.

Nicht die Renten sinken also, sondern die Menschen werden immer älter. Weil gleichzeitig die Ausbildungszeit laufend zunimmt – erst recht, wenn auch die Weiterbildungs- und Umschulungszeiten mit eingerechnet werden –, muss in viel kürzerer Zeit als vor 30 Jahren viel mehr Kapital als damals errechnet, angespart werden, um die Renten bis ans Lebensende zu sichern. In anderen europäischen Industrieländern wurde deshalb das Rentenalter auf 67 Jahre erhöht oder dieses wird gar laufend der Lebenserwartung angepasst wie zum Beispiel in Dänemark.

Anders als etwa in Skandinavien verschliessen sich jedoch in der Schweiz die politische Linke und die Gewerkschaften – teilweise noch unterstützt durch die SVP – einer solchen oder ähnlichen Lösung. Es ist eben bedeutend einfacher, «Rentenklau» zu schreien, als konstruktive und zukunftsgerichtete Lösungen mitzutragen; als der eigenen Wahlklientel reinen Wein einzuschenken. Es ist einfacher Parolen auf die Wahl- und Abstimmungsplakate zu schreiben, als mit Argumenten zu überzeugen. Offenbar auch dann, wenn diese Argumente mehr als deutlich auf der Hand liegen. Wenn die Faktenlage gar derart überdeutlich vorliegt, dass sie von niemandem ernsthaft in Zweifel gezogen wird.


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