Da treffen sich ein paar Solothurner/innen aus diversen
Parteien, von links bis rechts, und befinden gemeinsam, sie hätten das Ei des
Kolumbus gefunden. Flugs nennen sie ihre Idee «Jetz si mir draa» und beginnen
für ihre Initiative Unterschriften zu sammeln. Dass sie die 3000 Unterschriften
sofort beisammenhaben, verwundert niemanden. Wer kann schon dagegen sein, wenn
all die «armen» Mitbürgerinnen und Mitbürger von der Steuerlast ganz oder zu
grossen Teilen befreit werden. Steuersenkungen sind ja für alle Bürgerlichen
stets positiv – diesmal gar für die Linke. Wenn schon die Unternehmen
steuerlich entlastet werden sollen, dann sollen auch die Mitbürgerinnen mit
kleinen Einkommen «profitieren», ist die Botschaft der Initianten. Dass viele
Unternehmen – auch Familienunternehmen mit einer Holding-Struktur zum Beispiel –
durch die Revision viel stärker belastet werden, übersehen sie dabei
grosszügig.
Allerdings muss am Ende jemand die Ausgaben des Staates
berappen. Dass die Steuerzahler mit geringen Einkommen sehr vielfältig und weit
überdurchschnittlich von den Segnungen der Allgemeinheit profitieren, ist nun
mal eine Tatsache. Genannt seien hier bloss die doch sehr namhafte Verbilligung
der Krankenkassenprämie oder das Bildungssystem.
Steuersenkungen sind Investitionen in die Zukunft. In die
Zukunft des Gemeinwesens wie in die Zukunft von uns allen. Sie fördern neue
Arbeitsplätze und den Wohlstand und generieren im Normalfall auch mehr
Steuersubstrat. Und das kann der Kanton Solothurn sehr dringend gebrauchen. Denn
heute kann unser Kanton nur überleben, weil er jährlich rund 400 Millionen
Schweizerfranken von der Schweizerischen Nationalbank SNB und aus dem
Finanzausgleichstopf bekommt. Noch vor 30 Jahren vermochte unser Kanton ohne
diese Gelder auszukommen und die Steuerbelastung lag im Schweizer Durchschnitt.
Heute liegt sie trotz dieses sehr grossen «Zustupfs» an der Spitze, bei den
sogenannten «Steuerhöllen».
Was löst die anbegehrte Steuersenkung bei den kleinen
Einkommen aus? Sie macht unseren Kanton für diese Einkommen attraktiv – und
damit steigen dessen Ausgaben überdurchschnittlich. Jeder Solothurnerin ist es
zu gönnen, wenn ihre Steuerrechnung etwas tiefer ausfällt als bis anhin. Das
geht aber nur ohne Bankrott des Kantons, wenn gleichzeitig die staatlichen Leistungen
abgebaut werden. Oder wenn gleichzeitig mehr Gutverdienende und mehr
wertschöpfungsstarke Unternehmen in unseren Kanton ziehen. Denn jemand muss
auch diese Rechnung am Ende bezahlen.
Dass bei einer Entlastung der Kleineinkommen nicht scharenweise
Reiche in den Kanton Solothurn ziehen, liegt auf der Hand. Die Kleineinkommen
werden aber die Staatskasse nicht äufnen, wenn sie an Zahl zunehmen. Im
Gegenteil: Für sie sind die Ausgaben des Gemeinwesens gewollt höher als die
Einnahmen. Deshalb geht die Rechnung nur auf, wenn neben den Kleineinkommen
auch die grösseren Einkommen und die Unternehmen steuerlich entlastet werden.
Solothurn muss kein Steuerparadies werden, aber es muss sich
endlich aus der Ecke der Steuerhöllen verabschieden. Seine strukturellen
Nachteile sind nicht derart gravierend, dass die Nachbarkantone und die reichen
Kantone weiter bereit sein werden, uns auch künftig als Entwicklungsgebiet und mit
mitleidiger Grosszügigkeit zu behandeln. «Jetz si mir draa» ist ein
buchhalterischer und politischer Blödsinn, wenn mit «mir» nicht ALLE
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesem Kanton gemeint sind.
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