Donnerstag, 9. Januar 2020

Solidarität findet statt, aber sie hat Grenzen


Jahrzehntelang wollte die Linke in der Schweiz eine Reichtumssteuer einführen. In den nächsten Monaten wollen sie diese Diskussion wieder aufnehmen. Ihre Meinung: Reich sein ist unanständig. Wer viel verdient, soll künftig noch mehr Steuern bezahlen. Ganz in diesem Sinne erhöht der Kanton Solothurn, falls die nächste Steuervorlage vom Volk angenommen wird, die Vermögenssteuern von Gutsituierten um rund 20%.
Dies stellt gerade für KMU, für Familienbetriebe und Gewerbler eine erhebliche steuerliche Mehrbelastung dar. Denn, was die meisten Stimmberechtigten nicht wissen, die Steuerbehörden schätzen jährlich den Wert dieser Betriebe ein – und das nach einer Formel, die für die ganze Schweiz gilt und heute für Unternehmensschätzungen als völlig überholt, als veraltet und als sehr verzerrend gilt. Die Formel wird weder den technischen oder gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre gerecht, noch macht sie einen Unterschied zwischen den Branchen. Die Einen werden so bevorteilt, die Anderen benachteiligt.

Fünf Prozent der Steuerpflichtigen in der Schweiz finanzieren mehr als zwei Drittel der Bundessteuerreinnahmen; dies gemäss der neusten Statistik der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Und diese fünf Prozent sind bei weitem nicht alle extrem reich. Ihr steuerbares Einkommen liegt bei mehr als 150'000 Franken. Das erreicht zum Beispiel ein gut ausgebildetes Doppelverdiener-Ehepaar sehr schnell. Rund die Hälfte aller Steuerpflichtigen bezahlen dagegen lediglich 2% der gesamten Bundessteuern. Wenn das keine Reichtumssteuer ist, was ist es dann?

Die Kantone und Gemeinden kennen meist eine etwas kleinere Progression. Trotzdem äufnen hier 5% der Steuerpflichtigen den Einkommenssteuer-Topf jährlich um rund 40% oder etwa 20 Milliarden (Zahlen von 2016). Oder, etwas breiter gefasst: 20% der Steuerpflichtigen entrichten 70% aller Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern in der Schweiz. Wenn also diese 20% zum Beispiel in einem Rezessionsjahr durchschnittlich 10% weniger Einkommen haben, fehlen den Gemeinwesen in der Schweiz in einem einzigen Jahr mehr als 3.5 Milliarden Franken in der Kasse. Dabei ist die Progression, die sich in diesem Fall umgekehrt auswirkt, noch nicht einmal berücksichtigt. Weiter werden laufend Gelder bei der AHV und immer öfter beim BVG umverteilt.

Diese riesige Umverteilung kann man als gerade richtig, als zu hoch oder als zu tief einschätzen. Sicher ist: jeder einzelne Steuerfranken musste auch hier von jemandem zuerst verdient werden. Und dieser Jemand musste dazu auch motiviert sein. Mit Vorteil (für die Staatskasse) ist er dies auch in diesem und im nächsten Jahr wieder. Wenn ein grösserer Teil der gutverdienenden Schweizer Arbeitnehmenden sich auf den Standpunkt stellen würde: «Weniger arbeiten und verdienen ist besser. Es bleibt mehr Freizeit. Und auf diese zu verzichten lohnt sich wegen der hohen Steuern ohnehin nicht.» Wenn also hierzulande eintreten würde, was vor wenigen Jahrzehnten zum Beispiel in Schweden eintrat. Wenn die gutverdienenden Steuerpflichtigen zwar nicht mit Wegziehen, aber mit einem indirekten «Steuerstreik» auf die hohen Progressionen reagieren würden. Dann würden der Staatskasse etliche Milliarden fehlen. Die Umverteilung würde massiv verringert. Der Staat könnte darauf kaum reagieren. Steuererhöhungen wären auf jeden Fall das falsche Mittel. Innert weniger Jahre würden wohl von der öffentlichen Hand enorme Schulden aufgehäuft werden.

Umverteilung, Solidarität hat ihre Grenzen. Wo diese genau sind, weiss niemand. Werden sie aber überschritten, erfolgt eine starke Reaktion. Aktuell ist die Umverteilung in der Schweiz sehr gross. Sie wurde in den letzten 30 Jahren systematisch erhöht; auch wegen des Drucks der politischen Linken. Weitere und neue Umverteilungs-Übungen werden im eidgenössischen Parlament im Moment vorbereitet. Jeder nüchternen Beobachterin ist klar, dass diese Umverteilung heute die Schmerzgrenze erreicht hat. Dafür gibt es erste deutliche Anzeichen: Immer mehr ausgezeichnet ausgebildete junge Menschen arbeiten nur noch Teilzeit. Sie haben die Rechnung für sich bereits gemacht. Der Trend ist klar. Die Arbeitgeber können ihn bestätigen. Die einzige Frage ist: Erkennt das die Politik auch oder vernebeln hier parteipolitische Interessen einmal mehr den klaren Blick.

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